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Ballettgruppen im dunklen Bienenstock

Wenn Tänzerinnen Sammelbienen rekrutieren, dann beginnt diese hochkomplexe Verhaltenskette im dunklen Stock mit dem Zusammenfinden von Tänzerin und Nachtänzerin. Durch welche Signale macht eine Tänzerin dabei auf sich aufmerksam?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Jede aktive Bewegung eines Tieres ist mit der Erzeugung physikalischer Kräfte und Felder verbunden, die im Umfeld messbar sind. Bei einer tanzenden Honigbiene gehören dazu Luftströmungen und Luftschwingungen, ausgelöst vor allem durch das Flügelschwirren in bestimmten Phasen der Schwänzelbewegung. Das Schwänzeln und das Flügelschwirren übertragen sich auch als Vibrationen auf die Wabe. Zudem haben Tänzerinnen meist eine höhere Körpertemperatur als andere Bienen in ihrer Umgebung. Und wie bei allen auf Muskeln beruhenden Bewegungen im Tierreich treten elektrische Felder auf. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass von Tänzerinnen ein spezifischer Duftstoff ausgeht.
Dass sich physikalisch-chemische Phänomen messen lassen, heißt noch nicht, dass sie für das Verhalten von Tieren bedeutungsvoll sind. Über eine Bedeutung kann nur die Beobachtung des Verhaltens der Tiere Auskunft geben.

Was lässt Sammelbienen nachtanzen?

Moderne Aufzeichnungsmethoden helfen entscheidend, hier bessere Einblicke zu erhalten. Ein wichtiges Instrument ist dabei die Zeitlupen-Videoaufzeichnung. Zeichnet man Schwänzeltanz-Szenen auf, lässt sich das „Mikroverhalten“ von Tänzerin und Nachtänzerinnen bis in alle Details analysieren. Und man kann die Zeit rückwärts ablaufen lassen. So lässt sich erkennen, aus welchen Richtungen und Entfernungen Nachtänzerinnen angelockt worden sind und welches Verhalten sie nach dem Wahrnehmen einer Tänzerin als allererste Reaktion zeigen. Bevor eine Biene sich in Richtung Tänzerin über die Wabe zu bewegen beginnt, dreht sie ihren Kopf in Richtung der Tänzerin. Das zeigt dem Beobachter an, dass sie deren Richtung aus Sicht der späteren Nachtänzerin durch einen oder mehrere der oben aufgeführten Signale erkannt hat. Im Anschluss an die Kopfdrehung beginnt diese Biene auf die Tänzerin zuzugehen bis es zum direkten Kontakt über die Fühler kommt. Danach tanzt sie den Reigen mit.

Es kann vorkommen, dass Sammelbienen ein perfektes Nachtanzverhalten zeigen, auch wenn sie auf der Gegenseite einer Wabengasse sitzen, der Tänzerin also quasi den Rücken zukehren (Abbildung). Solche Bienen werden aber NICHT aus der Distanz angelockt, so wie die Bienen, die auf der gleichen Wabe wie die Tänzerin sitzen. Diese Bienen zeigen keine Kopfhinwendung und kein Hingehen zur Tänzerin. Die Rücken-an-Rücken-Bienen tanzen erst dann vollkommen regulär mit, nachdem sie zufällig mit einer Antenne an die Tänzerin angestoßen sind und sie so im direkten Kontakt erkannt haben.

Wabenschwingungen als Locksignal

Sitzen Tänzerin und spätere Nachtänzerin auf der gleichen Wabe, kommen alle oben aufgeführten Signale als Locksignale in Betracht. Sitzen sie aber auf voneinander getrennten Wabenflächen, kann keine Vibration der Tänzerin die Nachtänzerin mehr erreichen. Nur noch die Signale, die nicht über die Wabe laufen, können die zweite Biene erreichen. Ohne Wabenschwingungen werden keine Nachtänzerinnen über die Distanz angelockt.
Nach den hier geschilderten Beobachtungen sind es wohl die Wabenschwingungen die als Locksignal dominieren. Welche physikalischen Größen dann im Tanzverhalten im direkten Kontakt zwischen Tänzerin und Nachtänzerin Informationen über das Zielgebiet, in dem die beworbene Futterstelle liegt, geben, bleibt zu untersuchen.

a. Tänzerin und angelockte Nachtänzerin sitzen auf der gleichen Wabe, alle Signale durch die Wabe und durch die Luft können die angelockte Biene erreichen.
b. Tänzerin und angelockte Nachtänzerin sitzen auf getrennten Waben, jetzt können nur noch Signale durch die Luft zur zweiten Bienen geleitet werden.

Literatur:

Tautz, ,J. & K. Rohrseitz: What attracts honeybees to a waggle dancer?
J. comp. Physiol. A 183, 661-667, 1998.

Tautz, J.: Hören oder Schwingungen wahrnehmen? ADIZ 2/2002, 6-8.

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