In der Konkurrenz um Bestäuberinsekten haben Blütenpflanzen eine enorme Vielfalt an Formen, Farben und Düften hervorgebracht, die auf ihre Insektengäste möglichst verlockend wirken sollen. Bienen lernen extrem rasch, diese Merkmale zur Unterscheidung der Blüten zu nutzen.
Zudem gibt es einen weiteren Aspekt, unter dem sich die Blüten im Wettlauf um die Bestäubung aus dem Wege gehen und der ebenfalls von den Bienen gelernt wird: Blüten unterschiedlicher Arten können sich zu unterschiedlichen, aber arteigenen Tageszeiten öffnen und schließen. Auch die Produktion von Nektar kann einem solchen Biorhythmus folgen. Dieses erstaunliche Phänomen hat der schwedische Naturforscher Carl von Linne bereits im 18. Jahrhundert derart gründlich untersucht, dass sich aus den über den Tag verteilten Öffnungszeiten verschiedener Blumenarten eine regelrechte Blumenuhr anlegen ließ. Eine für Gärten und Parks bis heute beliebte, lehrreiche und unterhaltsame Anwendung einer gründlichen Naturbeobachtung.
Für Bestäuberinsekten wie Honigbienen bedeutet dieses chronobiologische Phänomen, dass unterschiedliche Nektarquellen zu unterschiedlichen Zeiten zugänglich sind. Die Lage wird für die nahrungssuchenden Bienen zusätzlich dadurch komplexer, dass diese Blüten meist noch an unterschiedlichen Orten stehen.
Sind Bienen in der Lage zu erlernen, welche Blumen wann und wo erfolgreich besucht werden können, um ihren Tagesablauf optimal einzurichten, ja regelrecht zu planen? Eine Forschergruppe um den Bienenforscher Prof. Shaowu Zhang publizierte in den Jahren 2006 (Zhang et al.) und 2007 (Pahl et al.) die Ergebnisse von Untersuchungen, in denen diese Fähigkeit der Bienen nachgewiesen werden konnte:
Frei fliegende Bienen wurden daraufhin trainiert, dass sie mit einem Tropfen Zuckerwasser belohnt wurden, wenn sie in einem y-artig angelegten Gangsystem (Abb.1) aus zwei Alternativen die richtige der angebotenen optischen Muster auswählten (Abb.2). Das ging sogar so weit, dass die Bienen lernten, ein und dasselbe Bild am Vormittag als richtig und am Nachmittag als falsch anzusprechen und entsprechend am Vormittag bevorzugten und am Nachmittag „links liegen“ ließen.
Eine Erinnerung daran, in welchem Zusammenhang (hier: Tageszeit der Belohnung und Ort der Belohnung) eine bestimmte Handlung (hier: Nektar sammeln) auszuführen ist, ordnet man in der Lernpsychologie unter der Bezeichnung „episodisches Gedächtnis“ als eine Form des Langzeit-Gedächtnisses ein. Die hier vorgestellte Leistung der Honigbienen weist entscheidende Merkmale eines solchen episodischen Gedächtnisses auf. Wir haben sie mit dem sperrigen Begriff „circadianes episodisch-ähnliches Gedächtnis“ belegt (Pahl et al. 2007).
Den Bienen wird es egal sein, wie wir Menschen diese Fähigkeit einordnen. Sie ermöglicht ihnen, in einer hochkomplexen Blumenwelt bestens zurecht zu kommen.
Literatur:
Zhang, S., Schwarz, S., Pahl, M., Hong Zhu and J.Tautz: Honeybee memory: A Honey bee knows what to do and when. J.exp.Biol.209, 4420-4428, 2006. Highlighted by Sarah Clare “Honeybees make plans”, Inside JEB, ii, 2006.
Pahl, M., Zhu, H., Pix, W., Tautz, J. & S. Zhang: Circadian timed episodic-like memory – a bee knows what to do when, and also where. J.Exp.Biol. 210, 3559-3567, 2007.
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