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Wie weit fliegt ein Bienenvolk für ein Glas Honig?

Um Bienenfleiß eindrucksvoll zu belegen, werden Texte oftmals mit Zahlen und Vergleichen untermauert – wie in folgendem Beispiel: Für ein Glas Honig (500 Gramm) fliegen Bienen eine Strecke von 120.000 Kilometer, was drei Erdumrundungen entspricht. Aufmerksame Leser finden aber nicht selten auch andere Texte über Bienen, die lediglich die Hälfte dieser Strecke angeben. Wie kann es dazu kommen?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Das Problem: Wie in dem genannten Beispiel wird meist lediglich ein Wert angegeben, ohne die Umstände der Bienenansammlung zu beachten.

Ein kleiner Exkurs: Für die Darstellung und die Behandlung von Werten, die mehr oder weniger stark schwanken können, wurde die mathematische Disziplin der Statistik entwickelt. Für eine Reihe von unterschiedlichen Werten lässt sich ein Mittelwert berechnen, umgangssprachlich auch als Durchschnitt bezeichnet. Die Fachleute unterscheiden dabei je nach angewandtem Rechenansatz zwischen dem arithmetischen, dem harmonischen und dem geometrischen Mittel. Oft wird zudem die gesamte Spannbreite angegeben: Die Werte zwischen dem kleinsten und dem größten Wert. Oder aber der sogenannte Median wird genannt: Der Wert, bei dem alle Werte in gleichstarke Gruppen getrennt werden können – das bedeutet die eine Hälfte aller Werte ist größer und die andere Hälfte kleiner als der Median.

Ein Wert über die Angabe der Flugdistanz aller Bienen für 500 Gramm Honig ist in der Praxis nicht konkret ermittelbar, da er von einer großen Anzahl an Einflüssen abhängig ist. Begonnen von der Blütensituation in der Umwelt eines Bienenvolkes bis hin zu den Verhältnissen im Bienenvolk selbst. Wie kann der Aufwand der Bienen also korrekt beziffert werden?

Am dichtesten an die Wahrheit führt eine Methode, bei der für alle relevanten Einflussgrößen die Minimal- und Maximalwerte ermittelt werden. Daraus ergibt sich die sogenannte Spannbreite, innerhalb der sich der realistische Wert bewegt. Aber Vorsicht: Auch dieser Wert kann von Tag zu Tag und von Bienenvolk zu Bienenvolk schwanken.

Hierzu dieser Ansatz:

  • Eine Sammelbiene kann in ihrem Honigmagen zwischen 20 und 40 Milligramm Nektar transportieren.
  • Eine Sammelbiene absolviert pro Tag zwischen drei und zehn Ausflügen.
  • Eine Sammelbiene kann über eine Periode von 10 bis 20 Tagen sammeln.
  • Eine Kolonie kann im Laufe eines Sommers 100.000 bis 200.000 Sammelbienen hervorbringen.

Daraus lassen sich wiederum die Extremwerte der zu erwartenden Nektarsammelleistung berechnen:

  • Minimalwert:
    20 Milligramm x 3 Ausflüge x 10 Tage x 100.000 Bienen = 60 Kg Nektar
  • Maximalwert:
    40 Milligramm x 10 Ausflüge x 20 Tage x 200.000 Bienen = 1.600 Kg Nektar



Durch Eindickung entsteht aus einer Einheit Nektar ein etwa halb so großes Honigvolumen – nach unserer Rechnung also zwischen 30 und 800 Kilogramm Honig pro Volk.

Soweit die Theorie. Dieses berechnete Honigvolumen wird allerdings so zu keiner Zeit tatsächlich vorhanden sein, da es in einem riesigen Kreislauf von Neubildung und Verbrauch eingebettet ist. Außerdem würde der Speicherplatz im Bienenvolk für die erheblichen Mengen nicht einmal annähernd ausreichen. Ein anderer Ansatz, der sich über den Energieverbrauch im Bienenvolk an die dafür nötige Honigmenge herantastet, kommt zu ähnlichen Werten der Honigproduktionsleistung eines Bienenvolkes.

Welche Flugstrecken würden sich aus diesen theoretischen Überlegungen ergeben?

Nehmen wir an, dass eine Biene für eine Honigmagenfüllung vom 20 Milligramm eine Gesamtstrecke von 1 Kilometer fliegen muss. So ergeben sich für 500 Gramm Last rund 25.000 Flugkilometer. Beträgt die Strecke für eine Magenfüllung 10 Kilometer, kommt schon eine Gesamtdistanz von 250.000 Flugkilometern zusammen. Erhöht man die angenommene Magenfüllung auf 40 Milligramm, ergeben sich bei 1 bzw. 10 Kilometern langen Flügen insgesamt 12.500 und 125.000 Flugkilometer.

Auch hier muss das Nektarvolumen wieder umgerechnet werden, da am Ende etwa halb so viel Honig entsteht: Das führt zu der erheblichen Spannbreite von 25.000 bis 500.000 Flugkilometern für ein 500-Gramm-Glas.

Es zeigt sich: die Spannbreite ist riesig und es ist wenig sinnvoll, lediglich einen Wert als den korrekten anzunehmen. Die häufig angegebene Zahl von 100.000 km, was 2,5 Erdumrundungen entspricht, erscheint aber trotz aller Unsicherheiten als ein guter Anhaltspunkt.

Teaser-Bild: Ingo Arndt

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