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Zellen im Brutnest der Bienenkolonie

Von Vetternwirtschaft und faulen Eiern

Alle Bienen einer Honigbienen-Kolonie sind die Kinder einer einzigen Mutter, der Bienenkönigin. Jedoch haben sie unterschiedliche Väter – was auch im Bienenvolk zu komplexen Verwandtschaftsverhältnissen führt.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Wird ein Ei besamt (diploid), entsteht eine weibliche Biene, bekommt ein Ei kein Spermium ab (haploid), entsteht eine männliche Biene, ein Drohn. Die jungfräuliche Königin wird auf ihrem einzigen Hochzeitsflug von mehreren Drohnen begattet, mit der Folge, dass sich deren weiblicher Nachwuchs aus Vollschwestern (gleiche Mutter, gleicher Vater) und Halbschwestern (gleiche Mutter, unterschiedliche Väter) zusammensetzt.

Eine derartige Zusammensetzung einer Bienenkolonie hat Folgen für das Verhalten der Bienen untereinander, die Voraussetzung zum Entstehen von „Vetternwirtschaft“ ist günstig. Tatsächlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Vollschwestern eher dazu neigen sich zu unterstützen als Halbschwestern. Registriert man, welche Bienen sich zum „Ballett“ in den Bienentänzen zusammenfinden, zeigt sich eine Tendenz, dass sich eher Voll- als Halbschwestern gemeinsam im Schwänzeltanz drehen.

Unterschiede in der Wachsschicht des Bienenkörpers

Wenn Bienen in ihrem Verhalten gegenüber Vollschwestern anders auftreten als gegenüber Halbschwestern, setzt das voraus, dass die Bienen zwischen diesen beiden Gruppen unterscheiden können. Sucht man nach typischen Merkmalen, die für eine solche Unterscheidung in Betracht kommen, stößt man auf die Chemie der äußeren Oberfläche des Bienenkörpers. Dieser ist, wie bei allen Insekten, von einer Wachsschicht überzogen. Eine chemische Analyse der Zusammensetzung dieser Wachsschicht ergibt Unterschiede, die Vaterlinien-spezifisch sind. In Dressurversuchen konnte gezeigt werden, dass Honigbienen mit ihren auf den Fühlern sitzenden Sinnesorganen bereits geringe Unterschiede in der Wachszusammensetzung erkennen können (Fröhlich, Riederer, Tautz 2001).

Honigbienen und ihre Eier

Bei Honigbienen, und da insbesondere bei südafrikanischen Rassen, kommt es nicht selten vor, dass auch Arbeiterinnen Eier legen. Diese sind unbesamt, es können also ausschließlich Söhne entstehen. Es ist nun extrem spannend, dass solche haploiden Eier von anderen Arbeiterinnen aufgefressen werden. Basierend auf dieser Beobachtung wurde eine anspruchsvolle Theorie entwickelt, die dieses Verhalten erklären soll. Der Kern der Überlegung ist ein Resultat statistischer Berechnungen: Arbeiterinnen sind mit den Söhnen ihrer Mutter genetisch näher verwandt als mit den Söhnen ihrer Schwestern. Also werden nur die haploiden Eier der Königin geduldet, die anderen werden aufgefressen. Die Arbeiterinnen müssen diesen Überlegungen folgend in der Lage sein, bereits an den Eiern zu erkennen, wer welches Ei gelegt hat. Die nachgewiesene Unterscheidungsfähigkeit der Oberflächenwachse, die auch die Eier überziehen, lässt dies möglich erscheinen.

Es gibt aber auch eine andere mögliche Ursache für die Vernichtung von Arbeiterinnen-Eiern. Eine deutsch-südafrikanische Forschergruppe hat nachgewiesen, dass die Eier, die von Arbeiterinnen gelegt wurden, eine deutlich geringere Überlebensrate hatten als die Eier der Königin (Pirk, Neumann, Hepburn, Moritz, Tautz, 2004). Die Absterberate der Eier, aus denen dann folglich keine Larven mehr schlüpfen konnten, war bei den Arbeiterinnen-Eiern etwa viermal so hoch wie bei Königinnen-Eiern. Da Arbeiterinnen im Brutnest tote Larven erkennen und aus dem Bienenstock entfernen, überrascht es nicht, wenn sie diese Fähigkeit und dieses Verhalten bereits bei den Eiern ihrer Schwestern einsetzen. Auf jeden Fall ist die Aufgabe für die Bienen, „faule“ Eier zu erkennen einfacher als den Grad der verwandtschaftlichen Beziehung zu einem Ei und damit einem kommenden Drohn auszumachen.

Literatur
Fröhlich, B., Riederer, M & J.Tautz: Honeybees discriminate cuticular waxes based on esters and polar components. Apidologie 32, 265-274, 2001.
Pirk,Chr., Neumann, P., Hepburn,R., Moritz,R.F.A. & J.Tautz: Egg viability and worker policing in honey bees. Proc.Nat.Acad.Sci.USA 101, 8649-8651, 2004.

Legende:
In jeder der Zellen im Brutnest der Bienenkolonie wird an deren Boden ein Ei angeheftet. In selten Fällen legen auch Arbeiterinnen Eier ab (Foto: Ingo Arndt).

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