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Warum sind die Zellen der Bienenwaben sechseckig?

Die Waben der Honigbienen weisen ein unglaublich präzises Erscheinungsbild auf. Seit jeher wird versucht zu verstehen, wie die Bienen diese Präzision zustande bringen. In der Wissenschaft gibt es dazu mehrere spannende Ansätze.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Bienenwaben weisen eine faszinierende Präzision im Erscheinungsbild auf: eine Fläche vollkommen gleichmäßiger Sechsecke aus einem hauchdünn verarbeiteten besonderen Material. In der weiteren Verwandtschaft der Honigbienen finden wir durchaus Ähnliches, so zum Beispiel die Brutzellen der staatenbildenden Wespen. Diese sind auch sechseckig, aber sie werden aus zerkautem Zellstoff gemacht und genügen dem hohen Anspruch an Genauigkeit in der Ausführung, wie die Bienen ihn haben, bei weitem nicht.

Honigbienen – talentierte Mathematiker?

Die Waben der Honigbienen sind derart exakt ausgebildet, dass der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler (1571 – 1630) den Bienen einen mathematischen Verstand zuschrieb, um ihre Leistung erklären zu können. Der französische Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur (1683 – 1757) schlug vor, das Maß der Wabenzellen zur Grundlage eines einheitlichen Längenmaßes zu machen. Die Bienen wurden um diese Anerkennung ihrer Bauleistung gebracht, als am 26. März 1791 die verfassunggebende Versammlung in Paris den Meter als Standardmaß einführte. Wie diese Regelmäßigkeit der Wabenzellen zustande kommt, wissen wir nicht genau. Schafft man es, im Gewühl der Bautrupps einzelne Bienen bei ihrem Tun zu beobachten, dann sieht man, wie sie mit Mundwerkzeugen und Beinen die Wände bearbeiten. Die Dicke dieser Wände ist über die gesamte Länge bis auf wenige tausendstel Millimeter fast gleichmäßig. Die Wände frisch gebauter Zellen sind perfekt glatt und überall gleich dick; die Winkel, unter denen die Wände zusammenstoßen, betragen exakt 120 Grad.

Instinktive Bauarbeit

Darüber, wie diese Genauigkeit zu erklären ist, gibt es einige Theorien, die aber ineinander übergehen. Eine davon sieht ausschließlich das direkte Bauverhalten der Bienen als Erklärung an: Jede Baubiene bearbeitet eine Seite einer Zellwand, sie kennt also nicht die Beschaffenheit der Gegenseite, an der eine andere Biene arbeitet. Beide drücken mit ihren Fühlern gegen die Wand. Sie haben eine instinktive Vorstellung davon, wieweit die Wand diesem Druck nachgeben darf, wenn die Wanddicke stimmt. Durch ständiges Wachsabschaben vom Rohbau der Wand und kontinuierliche Druckproben entsteht, so diese Theorie, nach und nach die optimale Zellwanddicke in größter Regelmäßigkeit (Martin & Lindauer 1966, Bauer & Bienefeld 2013).

Die frisch errichteten Zellen sind zunächst rund. Parallel zum Aufbau ihrer Länge gehen sie durch das Erwärmen des Wachses in ihre sechseckige Form über. Bildquelle: H.R.Heilmann, HOBOS-Team

Mit Wärme zur perfekten Wabenstruktur

Neuere Forschungsansätze weisen in eine andere Richtung. Wichtig für diese Sichtweisen ist, dass sie neue Untersuchungstechniken einsetzen können und bei der Entwicklung von Theorien nicht mehr allein auf den Augenschein angewiesen sind (Pirk et al. 2004). Betrachtet man eine Wabenbaustelle im Naturwabenbau mit einer Wärmebildkamera, dann erkennt man: Am Rand der Wabe liegen die neuen Zellen. Diese haben die Baubienen zunächst rund angelegt, wobei sie den eigenen Körper als Schablone benutzen können. In die frisch aufgebauten Zellen schlüpfen nun Heizerbienen, die die Wände und Böden auf eine Temperatur von über 40 Grad Celsius bringen. Das erwärmte Wachs wird so geschmeidig, dass jetzt, während die Zellen in die Länge gezogen werden, ein physikalischer Vorgang in Gang kommen kann, der zu der exakten Ausbildung der sechseckigen Wabenstruktur führt.
Sechsecke entstehen in der unbelebten und in der belebten Welt überall da, wo gleichverteilte Kraftquellen gegeneinander wirken. Die innere mechanische Spannung der Wabenwände zieht das geschmeidig gewordene Wachs so zurecht, dass jede der dicht gepackten Zylinder-Zellen sechs gerade Wände ausbildet. Das Zusammenspiel der physikalischen Eigenschaften des bieneneigenen Baustoffes, dem Wachs, führt, zusammen mit der Fähigkeit der Bienen, das Wachs aktiv zu erwärmen, also zu einem so faszinierend genauen Ergebnis (Karihaloo 2013).

Hätte Johannes Kepler Wärmebilder des Wabenbaus sehen können, hätte er den Bienen wohl kaum mathematisches Talent zuschreiben wollen. Er hätte es dann nämlich auch Seifenblasen zugestehen müssen: Sie zeigen das gleiche Phänomen. Wenn zwei Seifenblasen zusammenstoßen, entstehen ganz von selbst exakt glatte und gleich dicke, vollkommen ebene Wände zwischen ihnen.

Literatur:

Bauer D. , Bienefeld K. 2013. Hexagonal comb cells of honeybees are not produced by a liquid equilibrium process. Naturwissenschaften 100, 45-49.

Karihaloo B.L., K. Zhang, J. Wang (2013) Honeybee combs: how the circular cells transform into rounded hexagons. Journal of The Royal Society Interface 10. 10.1098/rsif.2013.0299.

Martin, H., Lindauer, M. (1966): Sinnesphysiologische Leistungen beim Wabenbau der Honigbiene. Z. vergl. Physiol. 53,372–404.

Pirk C.W.W., H.R. Hepburn, S.E. Radloff, J. Tautz (2004) Honeybee combs: construction through a liquid equilibrium process? Naturwissenschaften 91, 350-353.

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