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Bienenwachs als Personalausweis

Honigbienen sind Meister darin, Wachs zu produzieren und sinnvoll für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Aber ist eigentlich jedes Wachs gleich oder gibt es Unterschiede? Prof. Dr. Jürgen Tautz kennt die Antwort auf diese Frage.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Alle Insekten besitzen ein Außenskelett, das aus einem „Verbundwerkstoff“ besteht, dessen chemischer Hauptbestandteil das Chitin ist. Chitin (chemisch gesehen ein Zucker) ist nicht wasserdicht und eignet sich daher auch nicht als Schutzbarriere. Die Insekten würden allein mit diesem Außenskelett rasch vertrocknen. Dem hat die Natur vorgebeugt, indem als Schutz gegen die Außenwelt die komplette Oberfläche der Insekten von einer dünnen Wachsschicht bedeckt ist. Dieses wasserabweisende Wachs wird in winzigen Drüsen erzeugt, die über das Insekt verteilt liegen.

Einige Insekten haben im Laufe ihrer jahrmillionenlangen Evolutionsgeschichte die Fähigkeit entwickelt, solche Wachsdrüsen zusätzlich an wenigen Körperstellen so zu konzentrieren, dass relativ große Wachspartikel produziert werden können. Schildläuse stellen auf diese Weise Wachsfäden her, die ihnen zum Schutz und zur Tarnung dienen. Meister der Wachspartikelherstellung sind die Honigbienen, die den Großteil ihrer Wachsdrüsen in acht Felder auf der Unterseite des Hinterleibs konzentriert haben. Dort werden die Wachsschuppen für den Wabenbau hergestellt.

Wachs als Erkennungsmerkmal

Auch die Honigbienen sind komplett von einer hauchdünnen Wachsschicht bedeckt. In deren chemischen Zusammensetzung finden wir die gleichen Bestandteile wie im Wabenwachs, allerdings in unterschiedlicher Menge. Bei den Bestandteilen handelt es sich vor allem um Kohlenwasserstoffe, deren Moleküle entweder Ringe oder Ketten bilden, in denen mehr als 50 Kohlenstoffatome hintereinanderhängen. Das Wachs der Honigbienen hat aus beiden Bestandteilgruppen mehr als 300 unterschiedliche Bausteine zu bieten.

Analysiert man die Zusammensetzung der Wachse für Waben unterschiedlichen Alters oder auch die Zusammensetzung der Körperoberflächenwachse bei Drohnen, Königinnen und Arbeiterinnen, so zeigt sich: Wachs ist nicht gleich Wachs. Das Wabenwachs ist in seiner Zusammensetzung hoch variabel und ändert seine Zusammensetzung durch Alterungsprozesse.

Noch deutlicher trifft „Wachs ist nicht gleich Wachs“ für die Körperoberflächen von Königin, Drohnen und Arbeiterinnen zu. Denn hierüber können Honigbienen unter anderem ihre Verwandten erkennen. Dafür besitzen sie unterschiedlich zusammengesetzte Wachsoberflächen als Identifikationsindikator. So können sich beispielsweise Schwesterlinien, also solche Arbeiterinnen, die zwar von der gleichen Königin abstammen, aber unterschiedliche Väter haben, untereinander identifizieren.

Eine Verhaltensweise, die typischerweise auftritt, wenn sich zwei Bienen begegnen, ist das sogenannte Antennieren. Mit ihren beiden Fühlern tasten sich die Bienen gegenseitig ab. Gerade im dunklen Stock gewinnen sie damit eine Vielzahl von Informationen zu ihrem Gegenüber. Jeder Fühler besitzt rund 20.000 Sinneszellen, die mit unterschiedlichen Strukturen auf den Antennen verbunden sind. Neben Temperatur- und Luftfeuchte- sind es vor allem Geruchs- und Geschmackssinneszellen, die den Großteil der Sinnesorgane ausmachen. Das Erkennen, welcher Biene man gerade begegnet, findet über den Fühlerkontakt statt.

Nicht alle Komponenten im Wachs sind entscheidend

Eine Frage, mit der auch wir uns schon vor vielen Jahren beschäftigt hatten, war, welche der mehreren hundert Komponenten des Bienenwachses (Hepburn 1986, Fröhlich et al 2000a) für die Erkennung durch Honigbienen besonders wichtig (Page et al. 1991) sind.

Als Basis für das „Interview“, in dem wir Arbeitsbienen befragten, welche chemischen Bestandteile sie für die Wachserkennung nutzen, diente uns ein etabliertes Verfahren, in dem der Rüsselausstreckreflex der Bienen konditioniert wird. Dabei lernen die Bienen, dass sie mit Futter belohnt werden, wenn sie uns anzeigen, dass sie einen Unterschied zwischen zwei Proben erkannt haben.

Als Proben wurden den Honigbienen Teilgemische aus Wachs angeboten, die man durch spezielle Trennverfahren gewinnt. Es zeigte sich, dass insbesondere solche Komponenten, die lediglich einen geringen Mengenanteil an der Wachszusammensetzung ausmachen, den Honigbienen als Grundlage zur Erkennung von Wachsen dienen (Fröhlich et al. 2000b, Fröhlich et al. 2001).

„Auf welcher Wabe bin ich gerade unterwegs?“ und „Welcher Nestgenossin begegne ich gerade?“ sind also Fragen, auf die Bienen im Wachs die Antworten finden.

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Arbeiterinnen vorbereitet für die „Befragung“, welche Wachse sie unterscheiden können und woran sie Unterschiede festmachen. Foto: Ingo Arndt

Literatur
Fröhlich, B., Tautz, J. & Riederer, M.: Chemometric classification of comb and cuticular waxes of the honeybee Apis mellifera carnica. J. Chem. Ecol. 26, 123-137, 2000a.

Fröhlich, B., Riederer, M. & Tautz, J.: Comb wax discrimination by honeybees tested with the proboscis extension reflex J.exp.Biol.203, 1581-1587, 2000b.

Fröhlich, B., Riederer, M. & Tautz, J.: Honeybees discriminate cuticular waxes based on esters and polar components. Apidologie 32, 265-274, 2001.

Page, R.E., Metcalf, R.A., Metcalf, R.L., Erickson, J.E.H. & Lampman, R.L.: Extractable hydrocarbons and kin recognition in honeybee (Apis mellifera L.). J.Chem.Eco. 17, 745-756, 1991.

Hepburn, H.R.: Honeybees and wax. An Experimental Natural History. Springer Verlag, 1986.

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