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Varroamilbe

Die Varroamilbe – Ein Killer geht um die Welt

Seit mehr als 40 Jahren ist die Varroamilbe in Deutschland eine ebenso heimliche wie zerstörerische Mitbewohnerin in allen Honigfabriken. Wie es der einst aus Asien stammende Blutsauger in die weite Welt geschafft hat.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Die Varroamilbe hatte sich während der letzten Eiszeit zusammen mit Apis cerana, der östlichen Honigbiene, entwickelt. Die asiatischen Bienen liebten die knapp zwei Millimeter großen, mit ihrem ovalen Rückenpanzer ein wenig an fliegende Untertassen erinnernden Biester zwar nicht besonders, aber sie kamen und kommen mit ihnen klar. Man hatte schließlich Jahrtausende Zeit, sich im Laufe der Evolution aneinander zu gewöhnen. Die Milbe lebt von der Hämolymphe, dem „Bienenblut“, und kann ohne den Kontakt zu Bienen nur wenige Tage überleben. Sie versucht sich so gut sie kann, im Bienenvolk zu verstecken. Die asiatischen Bienen aber können sie aufspüren und töten, wenn sie die Milbe finden. So herrscht ein Gleichgewicht des Schreckens, das den Bienen wie den Milben das Überleben in trauter Feindschaft möglich macht.

Wie die Varroamilbe in den Westen kam


Apis mellifera, die westliche Honigbiene, hatte bis weit in das 18. Jahrhundert hinein keinerlei Kontakt mit Varroa destructor. Und das wäre wohl auch so geblieben, denn trotz ihrer acht Beinchen wäre sie wahrscheinlich nicht weit in Richtung Westen gekommen. Damit kann sie sich im Bienenstock auf der Wabe zwar recht fix bewegen, aber um Tausende von Kilometern zu überwinden braucht sie Hilfe. Und die bekam sie: vom Menschen.

Ende des 19. Jahrhunderts ist es ein Oberst des russischen Zaren, der sich auf abenteuerliche Weise einige Bienenvölker aus dem Ural in den Osten Kasachstans kommen lässt, um dort mit ihnen zu imkern. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Die Imkerei blüht auch jenseits des Urals auf und die westlichen Bienen breiten sich in den kommenden Jahrzehnten immer weiter nach Osten hin aus. Ende des 19. Jahrhunderts haben sie es bis nach Wladiwostok geschafft und sind damit in den Kernlanden von Apis cerana und der Varroamilbe angekommen.

Als 1904 die Transsibirische Eisenbahnlinie fertig gestellt ist, steigt die Zahl der westlichen Honigbienen im Osten noch einmal an. Auswanderer aus dem westlichen Russland, die in Sibirien ihr Glück suchen, bringen ihre Bienen mit. So werden die Begegnungen zwischen der westlichen und der östlichen Biene immer häufiger. Allerdings: Nicht sofort gelingt es der Varroamilbe, auch Stöcke der westlichen Honigbiene zu besiedeln. Nicht selten wird es schon bald nach den ersten Begegnungen vorgekommen sein, dass ein starkes Volk westlicher Bienen ein schwaches der östlichen überfallen und geplündert hat. Und immer wieder werden sich einige Milben auf einige der westlichen Diebinnen festgesetzt und Huckepack in den Stock von Apis mellifera geflogen sein.

Varroamilbe ist nicht gleich Varroamilbe


Es gibt unterschiedliche Milbentypen, alle sind hoch spezialisiert und nicht jede schafft es, mit einem anderen Wirt als mit Apis cerana zusammenzuleben. Eines Tages aber gelingt der Sprung: Ein Typ von Varroa destructor findet auch bei der westlichen Honigbiene die Bedingungen vor, die sie zur Vermehrung braucht. Und sie findet damit das Paradies, denn Apis mellifera hat keine Ahnung, wen sie sich da ins Haus geholt hat und wie man den zerstörerischen Gast wieder los wird.
Als dann in den 1960er Jahren des letzten Jahrtausends in Russland die Kunde von fantastischen Honigernten, die man mit sibirischen Bienen erzielen könne, die Runde macht, setzt Varroa zum Sprung in den Westen an. Infizierte Völker, die Imker in Sibirien kaufen und nach diesseits des Ural importieren, bringen die Milbe nach Europa.

Die Varroamilbe erobert die Welt


Auf den amerikanischen Kontinent kommt sie auf andere Weise, aber ebenfalls mit Hilfe des Menschen. 1622 haben Auswanderer aus Europa die Honigbiene nach Amerika gebracht, wo es diese Art staatenbildender Bienen bis dahin nicht gab. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelangen Nachfahren dieser ersten Völker dann nach Japan, wo man bis dahin nur mit der östlichen Honigbiene imkerte. Auch hier passiert zunächst einmal nichts. 1958 aber findet man in Japan zum ersten Mal Varroamilben auf westlichen Honigbienen. Als 1971 dann ein in Paraguay lebender japanischer Imker Bienen aus seinem Heimatland einführt, hat es die Varroamilbe auch über den Pazifik geschafft. 1987 findet man sie im Süden der USA und seit den 1990er Jahren des letzten Jahrtausends ist sie in ganz Amerika verbreitet.

So hat Varroa destructor in gut 50 Jahren fast die ganze Welt erobert und die Imkerei vor ungeheure Herausforderungen gestellt.

Textauszug aus:
Jürgen Tautz & Diedrich Steen: Die Honigfabrik. Die Wunderwelt der Bienen – eine Betriebsbesichtigung. Gütersloher Verlagshaus, 2017, ISBN 978-3-579-08669-9.

Foto:
Varroamilbe auf dem Hinterleib einer Bienen-Arbeiterin.
Foto: Ingo Arndt.

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