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Vorspielwolke

Schutzlos im Freien? Vom gefährlichen Ausflug der Königin

Die Paarung in der Luft ist für die Jungkönigin und damit für die gesamte Kolonie äußerst riskant. Bienen im Flug sind ein begehrtes Ziel für Räuber wie der Bienenwolf, eine Wespenart, sowie zahlreiche Vögel. Erfahren Sie, was das Bienenvolk alles unternimmt, um seine Königin vor Bedrohungen im Freien zu schützen.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Die Weibchen des Bienenwolfes fangen einzelne Bienen und stecken sie als Proviant für ihre Larven in Erdröhrchen. Auch zahlreiche Vögel fangen Honigbienen – im Laufe der Evolution haben sie gelernt, wie sie gefahrlos mit den Giftstacheln der Insekten umgehen.
Soll bei all diesen Bedrohungen die einzige Jungkönigin, dieser dünne Faden, der die Kolonie mit ihrer Zukunft verbindet, und kostbares Resultat der gemeinsamen Anstrengung aller Bienen im Volk, vollkommen allein in die gefahrvolle Welt außerhalb des Nestes geschickt werden? Schwer vorstellbar, dass der Superorganismus Bien, der für jede denkbare Problematik die optimale Lösung hervorgebracht hat, ausgerechnet für diesen Schlüsselmoment keinen sicheren Weg gefunden haben soll. Was also könnte die Lösung sein? Zur Zeit der Paarungsflüge finden sich regelmäßig Arbeiterinnen zu sogenannten Vorspielwolken vor dem Stock zusammen — ist es denkbar, dass diese Ansammlungen eine Rolle beim Schutz der Königin spielen?

Sogenannte Vorspielschwärme (der alte Begriff „Vorspiel“ meint das Hin- und Herfliegen der Bienen und bezieht sich nicht auf das Paarungsverhalten) vor dem Bienennest treten stets gegen Mittag und nur dann auf, wenn auch die Drohnen fliegen. In diesen Schwärmen finden sich zwar auch Jungbienen, aber nicht in größerer Anzahl als sie auch außerhalb der Vorspielzeiten zu Orientierungsflügen im Freien unterwegs sind. Den größten Teil der vorspielenden Bienen stellen stattdessen betagte und erfahrene Flugbienen, darunter nicht wenige sehr alte mit Flügeldefekten und abgewetztem Borstenbesatz. Manche von ihnen kommen direkt von der Arbeit, wie man an ihren Pollenhöschen oder am vollen Honigmagen erkennen kann, der sich an gefangenen Bienen sanft ausdrücken lässt.

Beobachtung und Experiment brachten weitere Erkenntnisse: Kreiert man Völker, die man über Wochen ohne Königin hält und denen man regelmäßig genauso viele Jungbienen zusetzt wie zur Welt kommen, wenn sich eine Königin im Nest befindet, dann treten keine Vorspielwolken auf. Wird dem Volk anschließend eine jungfräuliche Königin zugeführt, lassen sich vom ersten Tag an wieder Vorspielflüge beobachten. All das weist auf einen Zusammenhang der Vorspielwolken mit dem Hochzeitsflug der Königin hin. Doch welche Rolle spielen diese Schwärme für die Paarung genau?

Ein geduldiger Beobachter kann den Moment erwischen, in dem die Jungkönigin auf Hochzeitsflug geht: Umringt von bis zu zwanzig Arbeiterinnen verlässt sie das Nest zu Fuß bis vor die Haustür. Vor dem Flugbrett steht der Vorspielschwarm in der Luft. Draußen angekommen, fliegen die Königin und ihre Eskorte ohne Verzögerung los. Dabei fällt auf, dass mit der abfliegenden Königin und ihrem Begleittrupp auch die vorspielenden Bienen im Feld verschwinden. Und kehrt die Königin später heim, ist auch der Vorspielschwarm wieder da.

Was genau passiert dort draußen im Feld? Und welche Rolle spielen die Arbeiterinnen bei der Paarung? Die Bienenforschung hat die Antworten darauf noch nicht gefunden, da die nötigen Beobachtungen extrem schwer anzustellen sind. Leicht zu beobachten ist dagegen, dass sich die Königin nach ihrer Landung auf dem Flugbrett, wieder in Tuchfühlung mit einer Gruppe von Arbeiterinnen, sofort ins Innere des Nestes zurückzieht. Auch viele Bienen der Vorspielwolke, die mit der Rückkehr der Königin neu entstanden ist, begeben sich in den Stock, und der Vorspielzauber verzieht sich. Findet kein Ausflug der Königin statt, löst sich die Vorspielwolke nach spätestens einer halben Stunde auf, um am folgenden Tag wieder zu erscheinen — so lange, bis die Paarungszeit zu Ende ist.

Literatur:
Der Text wurde entnommen: Jürgen Tautz & Tobias Hülswitt: Das Einmaleins der Honigbiene: 66 x Wissen zum Mitreden und Weitererzählen. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, München, 2019.

Foto:
Ausschnitt aus einer Vorspielwolke vor einem Bienenstock (Aufnahme: Ingo Arndt).

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