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Könnten schwärmende Bienen das Wetter beeinflussen?

Schwärmende Bienen könnten das Wetter verändern

Verschiedene Medien haben im Herbst 2022 davon berichtet, dass schwärmende Bienen das Wetter verändern könnten. In seiner Kolumne erklärt Prof. Dr. Jürgen Tautz was hinter solchen Meldungen wirklich steckt.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Wie hier im Titel formuliert, ging im Herbst 2022 unter plakativen Überschriften eine fantastisch klingende Meldung durch die Medien. Der STERN betitelt seinen Beitrag am 28. Oktober 2022 „Elektrische Felder: Schwärmende Bienen könnten das Wetter verändern“ und führte in dem Beitrag unter anderem wie folgt aus: „Bienenschwärme sind nicht nur ein faszinierendes Naturschauspiel: Sie könnten möglicherweise auch Einfluss auf das Wetter nehmen. Das haben Ökologen der Universität Bristol nun untersucht.“ Die Plattform NTV schrieb am 29.Oktober: „Insektenschwarm kann das Wetter beeinflussen.“ Der ORF meldete am 22.Oktober 2022 auf seiner Homepage: „Eine Studie aus England zeigt: Bienen- und andere Insektenschwärme erzeugen elektrische Ladung – ähnlich wie Gewitterwolken.“ HEISE-online erklärte am 4. November 2022: „Bienenschwärme erzeugen stärkere elektrische Felder als Gewitterwolken“. Und „Grenzwissenschaft aktuell“ schrieb am 27. Oktober 2022: „Mehr Volt pro Meter als Gewitterwolken: Bienenschwärme erzeugen eigenes elektrisches Feld“.

Was hat es mit diesen Meldungen auf sich?


Bereits im 18. Jhd. entdeckte der italienische Arzt, Anatom und Naturforscher Luigi Galvani (1737 – 1798) das Phänomen der Bioelektrizität. Ihm war aufgefallen, dass Froschschenkel, die an metallischen Haken auf dem Markt zum Verkauf aufgehängt waren, während Gewittern zuckten. Diese Beobachtung führte ihn unter anderem zu folgendem Experiment: Er befestigte einen Draht auf dem First seines Hauses und montierte im Garten daran einen Froschschenkel. Ein weiterer Draht verband den Froschschenkel mit einem Brunnen. Nun musste er nur noch auf Gewitter warten. Jedes Mal, wenn er einen Blitz sah, zuckte der Froschschenkel, sogar noch bevor der Donner zu hören war. Diese Entdeckungen waren der Einstieg in großartige Entwicklungen zu Elektrizität und Bioelektrizität in Physik und Biologie.
Heute wissen wir, dass jede Lebensäußerung mit der Erzeugung bioelektromagnetischer Felder verbunden ist. Für die Funktion von Nerven- und Muskelzellen ist die Bioelektrizität elementar.

Bioelektrizität und Honigbienen


In der Erforschung des Auftretens von Bioelektrizität bei Honigbienen ist Ulrich Warnke ein Pionier, der im Rahmen seiner Doktorarbeit erstmals die elektrischen Aufladungserscheinungen der Körperoberflächen von Honigbienen untersucht hat (Warnke 1973). Dieses Werk ist auch 50 Jahre nach dessen Fertigstellung noch höchst lesenswert und eine Fundgrube sorgfältig erhobener Daten. Warnke fand Regionen auf der Körperoberfläche der Bienen mit Potentialschwankungen bis zu 25 Volt. Eine spätere Studie, in der gemessen wurde, wie hoch die elektrische Aufladung der Körperoberfläche von Bienen durch die Luftreibung im Flug werden kann (Greggers et al, 2013) fand bis zu 500 Volt Aufladung einzelner Bienen bei Wiedereintritt in den Bienenstock.

Bioelektrizität bei Bienenschwärmen


Ein Team um den Biologen Daniel Robert der Universität im englischen Bristol hat sich in einer spannenden Studie nicht die einzelne Biene, sondern ganze Bienenschwärme vorgenommen. Die Kernüberlegung zu diesen Studien war die Frage, ob und wie sich die Summe der elektrischen Ladungen mehrerer zehntausend Einzelbienen eines Schwarmes auf die Atmosphäre der Umgebung auswirkt. Die Resultate der Studie wurden in einem angesehenen Fachblatt publiziert (Hunting et al., 2022). Der spannende Titel dieser Arbeit zog die Aufmerksamkeit von Journalisten auf sich, was unter anderem zu den oben zitierten Veröffentlichungen führte.
Tatsächlich sind die Resultate „etwas niedriger aufzuhängen“, aber nicht minder höchst spannend. Grob zusammengefasst zeigt die Studie, dass ein Bienenschwarm zu dem elektrischen Feld der umgebenden Luft einen substanziellen Beitrag leistet, dessen Ladung sich in der Größenordnung von bis zu 1000 Volt/Meter bewegen kann. Um zu schauen, welche Konsequenzen ein derartiges elektrisches Ereignis haben kann, haben die Autoren die elektrischen Feldlinien gemessen, die um einen Baum herum entstehen. Ein vorbeifliegender Bienenschwarm verändert den Verlauf dieser Feldlinien. Bienenschwärme können also ein lokales elektrisches Feld beeinflussen. Die Autoren diskutieren auch den Aspekt des Transportes elektrisch geladener Teilchen durch die Bienen auch im Zusammenhang mit dem Schwarmverhalten.
Zu den höchst verblüffend klingenden Schlagzeilen, wie sie oben wiedergegeben sind, meint der Leiter der Studie, Prof. Daniel Robert, dass über seine Studie einige sehr spekulative und sogar falsche Darstellungen erschienen sind, wie „bee swarms containing as much electricity as a thundercloud… or bees can provoke thunderbolts in the atmosphere…“.
Dennoch bleibt es eine höchst spannende Entdeckung und ein neuer Baustein in unserem Verständnis über die komplexen Beziehungen und Einflüsse von Lebewesen, hier die Honigbienen, auf deren Umwelt.

Literatur:


Warnke, U.: Physikalisch-physiologische Grundlagen zur luftelektrisch bedingten „Wetterfühligkeit“ der Honigbiene (Apis mellifica). Dissertation Universität Saarbrücken, 1973.
Greggers, U., Koch, G., Schmidt, V., Dürr, A., Floriou-Servou, A., Piepenbrock, D., Göpfert, MC., Menzel, R.: Reception and Learning of Electric Fields in Honeybees. Proc R Soc Lond B 20130528. 2013.
Hunting, E.R. , O’Reilly, L.J. , Harrison, R.G., Manser,K., Sam J England, S.J , Harris, B.H. , ,Robert, D.: Observed electric charge of insect swarms and their contribution to atmospheric electricity. iScience, DOI: 10.1016/j.isci.2022.105241, 2022.

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