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Nicht ganz volltanken, bitte.

Honig ist der Betriebsstoff des Bienenvolkes. Mehr als 80 Prozent des Honigs, den ein Bienenvolk produziert, wird in Wärme umgewandelt, damit sich die Puppen im Brutnest bei etwa 35 Grad Celsius entwickeln können. Im Winter wird die Energie, die im Honig steckt, dazu genutzt, die Temperatur der sogenannten Wintertraube, der enge Zusammenschluss der Bienen im Bienenvolk, an keiner Stelle unter eine Temperatur von 10 Grad Celsius abfallen zu lassen. Aber wofür benötigt jede einzelne Biene Honig?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Am deutlichsten ist der Honigverbrauch der Sammelbienen auf ihren anstrengenden Ausflügen. Zunächst ist klar, dass der Verbrauch an Honig nicht größer sein darf als die Menge an Energie, die eine Sammelbiene mit dem Nektar zurück ins Nest bringt. Das bedingt die maximale Reichweite der Ausflüge der Bienen, wenn sie von ihrem Stock aus in einem Zug zu einem entfernten Ort fliegen. Weiter als 10 Kilometer geht nicht, aber von einem derart weit entfernten Sammelort bringt man schon sehr wenig „Gewinn“ für das Bienenvolk zurück. Wo es möglich ist, bevorzugen die Bienen deshalb auch einen maximalen Sammelradius von 2 bis 3 Kilometer.

Bevor Sammelbienen ins Feld aufbrechen, werden sie in der Regel von Stockgenossinnen mit Honig betankt. Dieses „Mund-zu-Mund-betanken“ wird als Trophallaxis bezeichnet (siehe Foto). Der „Tank“ ist der Honigmagen der Bienen, ein stark dehnbarer Abschnitt des Darmes im Hinterleib der Bienen.

Eine Situation, in der sich erforschen lässt, mit welcher Tankfüllung sich Sammelbienen auf ihre Tour begeben, sind die Flüge zu einer künstlich eingerichteten Futterstelle. Werden Bienen auf eine solche Futterstelle hin dressiert, kennt nicht nur der Forscher die Entfernung zwischen dem Bienenstock und diesem Ziel, sondern auch die erfahrenen Bienen.

Die spannende Frage ist: Mit wie viel Honig lässt sich eine solche Biene vor dem Flug dorthin betanken? Im Idealfall mit genau der Menge Honig, die bis zum Ziel komplett verbraucht ist, damit der dann vollkommen leere „Tank“ mit Sammelgut bis zum Rand aufgefüllt werden kann. Davon wird sie für den Heimflug dann einige Energie abzweigen, aber wenn der Flug kürzer als etwa 10 Kilometer ist, bringt sie einen Nettogewinn nach Hause.

Forscher in Japan (Harano et al. 2013) haben dazu eine Untersuchung durchgeführt und herausgefunden, dass in der Tat die Menge an Honig, mit der die Sammelbienen auf den Flug zum Futterplatz aufbrechen, exakt um so viel vermehrt oder vermindert wird, wie die Länge der Flugstrecke verlängert oder verkürzt wird. Zur genauen Einstellung der „Tankmenge“ müssen die Bienen vorab einige Runden geflogen sein. Wenn sie dann eine neue Streckenlänge genau kennen, passen sie die “Tankfüllung“ an.

Ebenso spannend ist nun eine Anschlussfrage, die mit der „Sprache der Bienen“ zusammenhängt. Diejenigen Bienen, die auf einen Futterplatz dressiert worden sind, führen im Bienenstock den sogenannten Schwänzeltanz auf, mit dem sie Stockgenossinnen als weitere Sammelbienen dorthin anwerben wollen. Nach der klassischen Vorstellung über den Schwänzeltanz erfahren Nachtänzerinnen aus dem Tanz, wo die Futterstelle liegt, für die getanzt wird. Wenn das so ist, sollten die rekrutierten Neulinge ebenso wie die erfahrenen Bienen vor dem Start zum Sammelflug die Länge der Stecke kennen, die sie nun zurücklegen müssen, und sich ebenso, wie die bereits erfahrenen Bienen, mit der optimalen „Tankfüllung“ auf den Weg machen. Das hochinteressante Resultat der Bestimmung der „Tankfüllung“ der Rekruten war: Sie nehmen ein Vielfaches der Menge an Honig auf, als sie für einen einfachen direkten Flug zu diesem Ziel benötigen. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass die im Tanz angeworbenen Rekruten die Länge der Flugstrecke nicht aus dem Tanz ablesen können. Dieses aufregende Resultat aus einer Forschungsarbeit zum „Betanken“ der Bienen bildet einen der vielen Bausteine in neuen Überlegungen dazu, wie es sich mit der „Sprache der Bienen“ verhält (https://www.knesebeck-verlag.de/die_sprache_der_bienen/t-1/964 ).

Literatur
Literatur:
Harano, K., Mitsuhata-Asai, A., Konishi, T., Suzuki, T. & M.Sasaki: Honeybee foragers adjust crop contents before leaving the hive. Effects of distance to food source, food type, and informational state.

Tautz, J.: Die Sprache der Bienen. Knesebeck, März 2021.

Abbildung
Eine Sammelbiene (links) lässt sich vor dem Aufbruch zu einem Sammelflug mit Honig „betanken“ (Foto: Ingo Arndt).

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