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Bewusstsein von Bienen

Haben Bienen ein Bewusstsein und Emotionen?

In seinem neuen Buch “The mind of a bee” breitet der Autor Prof. Lars Chittka vom Research Centre for Psychology der Queen Mary Universität in London auf sehr anschauliche Art und Weise seine umfangreichen über mehrere Jahrzehnte erstreckten Forschungsarbeiten an Hummeln und Honigbienen aus. Eine Buchbesprechung.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

In locker-flottem Erzählstil spricht er wie in einer Vorlesung seine Leserschaft direkt an – und man „hört“ sehr gerne zu. Dabei lernt man unter anderem die Sinneswelt (sehr detailliert den Sehsinn) der Hummeln und Bienen kennen, liest über eindrucksvolle kognitive und Lernleistungen und staunt über altes und neues Wissen zu Aufbau und Funktion der Gehirne dieser Insekten. All das wird am Ende zusammengeführt zu der Frage „Haben Bienen Bewusstsein und Emotionen?“.

Damit reiht sich das Buch ein in eine Serie von aktuellen Publikationen, die sich damit auseinandersetzen, ob und wie wir die aufregende Frage nach einem Bewusstsein bei Tieren mit der Aussicht auf belastbare Antworten studieren können. Folgt man dem Annäherungsversuch des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel in dessen Publikation “What is it like to be a bat?” (The Philosophical Review 1974) – Chittka betitelt ein Kapitel „What it´s like to be a bee“ -, ist das Unterfangen hoffnungslos, denn die Wissenschaften basieren ihre Methodik auf eine Außenperspektive, mit der sich die Innenperspektive der Wahrnehmungswelt gar nicht fassen lässt.

Wie lässt sich das Innenleben von Insekten erfassen?

Es gibt einen raffinierten Ausweg, der über eine Aufstellung von Kriterien zumindest formale Zuordnungen zulässt, die verblüffen. Verständigt man sich zur Einordnung von „intelligent“ auf Kriterien wie „Fähigkeit zur Problemlösung, Merkfähigkeit und Anpassungsfähigkeit“, sind sogar Schleimpilze intelligent. Sie finden den kürzesten Weg durch ein Labyrinth und können erlernte Information an Artgenossen weitergeben.

Diesen Ansatz, über eine Zusammenstellung von Kriterien Antworten zu erhalten, vertritt auch Herr Chittka zur Frage von Bewusstsein und Emotionen bei Bienen, aber nicht ohne Vorsicht, wenn er schreibt „…natürlich bewegen wir uns auf spekulativem Gelände…“.

Nimmt man kognitive und Verhaltensleistungen als Gradmesser, muss man auch Maschinen (KI – künstliche Intelligenz) die Eigenschaften zugestehen, über die im Buch zu Insekten berichtet wird. Ein härterer Kriterienkatalog zieht physiologische Prozesse im Gehirn der Lebewesen hinzu. So haben Grover und Mitarbeiter in der Zeitschrift Nature im Frühjahr 2022 eine molekularbiologische Studie publiziert, nach der Vorgänge während komplexer kognitiver Vorgänge im Gehirn von Taufliegen ähnlich denen im Gehirn von Säugetieren sind.

Überlegungen zum „Innenleben“ von Insekten haben bereits sehr frühe Forscher angestellt, deren Beobachtungen und Gedanken Herr Chittka in seinem Buch ausführlich vorstellt und würdigt. Dazu gehören der blinde Schweizer Bienenforscher Francois Huber (1750 – 1831), der US-amerikanische Forscher Charles Turner (1867 – 1923), der Franzose Jean-Henri Fabre (1823 – 1915) – beide Begründer einer modernen Insektenkunde – und der belgische Forscher und Schriftsteller Maurice Maeterlinck (1862 – 1949). Diese Pioniere auf dem Gebiet, das Herr Chittka vertritt, sind es mehr als wert, wieder ins Bewusstsein gerückt zu werden. Der Autor macht sich damit sehr verdient. Sie waren vergessen oder wurden von streng denkenden Wissenschaftlern wegen ihrer anthropomorphen Betrachtung nicht ernst genommen. So ist es bemerkenswert, dass in dem epochalen Werk Karl von Frischs („Tanzsprache und Orientierung der Bienen“) keine einzige der Arbeiten von Turner, Fabre und Maeterlinck erwähnt werden. Deren Beobachtungen und Versuche waren solide und reproduzierbar, aber ihre Schlussfolgerungen auf das „Innenleben“ der Bienen mögen allzu abwegig erschienen sein, um die Arbeiten ernst zu nehmen.

Auf sicherem Grund bewegt sich der Autor sehr souverän in der Schilderung höchst raffiniert ausgedachter Experimente zum Wabenbau, zur Erkennung optischer Reize bei frei fliegenden Bienen und zu Experimenten, mit denen eindrucksvoll kognitive Leistungen der Bienen und Hummeln offengelegt wurden. Anders als im Buch ausgeführt, sind die Bauketten im Wabenbau aber kein Phänomen unbekannter Funktion, sondern ein Artefakt der Bienenhaltung. Sie kommen bei Nestern, freigebaut in hohlen Bäumen, nicht vor.

Die verglichen mit der chemischen Wahrnehmungswelt einfache Kontrollierbarkeit optischer Reize (Farbe, Helligkeit, Muster etc.) macht es verständlich, dass diese Sinnesmodalität in bisherigen Forschungen mit einer Tiefe bearbeitet worden ist, die für andere Sinne nachzuholen bleibt. Mit besseren chemischen Methoden, einsetzbar mit hoher zeitlicher und räumlicher Differenzierung auch bei freifliegenden Bienen, wird es möglich sein, auch auf diesem Feld aufzuholen und drängende Fragen zur Kommunikation der Bienen („Tanzsprache“) zu beantworten.

Es werden eine ganze Reihe an Verhaltensleistungen der Hummeln vorgestellt, die verblüffen. So ein vom Autor als Werkzeuggebrauch eingeordnetes Verhalten: Die Hummel bewegt eine kleine Unterlage mit Futter zu sich heran, indem sie, am Weiterkommen zum Futter gehindert, mit Mundwerkzeugen und Beinen eine kurze Schnur (in der Sicht des Autors das Werkzeug) zu sich heranarbeitet. Man erkennt in dem raffiniert ausgedachten Experiment das Bemühen einer Hummel wieder, sich in der Natur mit ihren Beinen und Mundwerkzeugen brachial in Blüten hineinzuarbeiten, nur im Experiment am Fortkommen gehindert auf der Stelle krabbelnd und so die bewegliche „Blüte“ herbeibewegend.

Aufregend ist die Beobachtung, dass diese und andere Verhaltensweisen einige „naive“ Hummeln nach Zuschauen mit höherer Wahrscheinlichkeit als andere Hummeln ausüben können. Sie haben durch Beobachten gelernt. Der Autor spricht auch darüber sehr anschaulich und nennt es „cultural diffusion“.

Können Bienen Gefühle empfinden?

Sind Überlegungen zu Formen des Bewusstseins bei Bienen schon nicht einfach anzustellen, ist das Thema „Emotionen bei Insekten“ noch um einiges schwieriger, für manchen sogar hoffnungsloser. Herr Chittka packt auch dieses Thema an und schildert Beobachtungen und Experimente, die ihn dazu veranlassen, sehr mutig schlussfolgernd den Bienen Gefühlsregungen („they might experience some form of emotions“) zuzutrauen, auch wenn diese Idee im Sinne von Thomas Nagel wissenschaftlich nicht überprüfbar ist.

Die Vorstellung von einem „reichen Innenleben“ der Insekten ist aber auf jeden Fall eine schöne Vorstellung. Und eine nützliche, wenn sie dazu führt, dem Autor zu folgen und auch aus der Vorstellung, dass bienenspezifisches Bewusstsein und Emotionen existieren, diese Mitgeschöpfe respektvoll zu behandeln und sich ernsthaft und nachhaltig für deren Schutz einzusetzen.

Literatur:
Lars Chittka: „The mind of a bee”. Princeton University Press, 2022

Foto: Ingo Arndt

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