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Epidemien im Bienenstock –„Social distancing“ unmöglich

Keine Tierart lebt Tag und Nacht derart dicht beisammen wie die Honigbienen in ihrer Kolonie. Eine große Anzahl Krankheitserreger und die hohe Populationsdichte in den Kolonien ergeben zusammen eine hochgefährliche Situation, in der sich schon geringste Infektionen zu rasant ausbreitenden Epidemien entwickeln. Doch wie können sich Bienen schützen?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Die Ausbreitung von Krankheiten in Bienenvölkern erinnert an die Corona-Pandemie, unter der die Menschheit derzeit leidet. Der wirksamste Schutz besteht für uns Menschen derzeit im Abstand halten („social distancing“). Diese Strategie ist in einer Bienenkolonie ausgeschlossen. Die Natur hat die Bienen allerdings mit einer ganzen Reihe von Möglichkeiten ausgerüstet, die das Zusammenbrechen ganzer Kolonien unter einer Krankheitslast verhindern.

Bienenkrankheiten werden in der Regel durch Pathogene oder Parasiten verursacht. Pathogene sind Krankheitserreger. Bei den Honigbienen sind das vor allem Pilze, Einzeller, Bakterien oder Viren. Parasiten wie die Varroamilbe kommen dabei nicht nur als direkte Bedrohung, sondern auch als Überträger von Pathogenen in Betracht.
Honigbienen leben in einer unglaublichen Enge, in ständiger Tuchfühlung untereinander, sodass es nicht verwundern darf, dass sie im Laufe der Evolution zahlreiche Mechanismen erfunden haben, um sich erfolgreich zur Wehr setzen zu können.

Da ist zunächst die äußere Hülle der Biene, die Cuticula mit ihrer dünnen Wachsauflage, die Pathogene nur sehr schwer überwinden können. Ist diese erste Front aber von Krankheitserregern geknackt, kommt das Immunsystem der Bienen ins Spiel, das Abwehrzellen im Bienenblut aufweist und einen angeborenen molekularen Abwehrmechanismus besitzt. Diese drei Schranken findet man auch in gleicher oder ähnlicher Form bei nicht Staaten bildenden Insekten. Als Superorganismus verfügt die Honigbiene aber auch über Möglichkeiten, die den solitären Arten, wie Wildbienen und Hummeln, verwehrt sind. Diese Optionen betreffen in erster Linie das Verhalten der Bienen. Es ist vor allem die Hygiene im Nest, die durch spezielle Verhaltensweisen erreicht und aufrechterhalten wird. Da ist zum einen das gegenseitige Putzen der Arbeitsbienen untereinander. Zum anderen wird das wertvollste Tier der Kolonie, die Königin, einer permanenten Körperpflege durch die Hofstaatbienen unterworfen. Vor der Eiablage wird die künftige Kinderstube gründlich gereinigt. Gibt es Todesfälle im Stock, entfernen die Arbeiterinnen die Leichen so rasch wie möglich aus dem Volk. Erkrankte Bienen werden zudem von Innendiensttieren im Nest erkannt und aggressiv behandelt. Es ist noch unklar, worauf die Identifizierung kranker Koloniemitglieder beruht. Ein verändertes Verhalten und eine veränderte Chemie der Körperoberfläche sind mögliche Faktoren, durch die solche Tiere auffallen.

Außerdem setzen Honigbienen Fremdstoffe zur Abwehr von Krankheitserregern ein. Die Propolis, die Harze, die die Bienen an Pflanzenknospen sammeln und die sie in die Waben einbauen, haben antibakterielle und antimykotische (gegen Pilzerkrankungen) Wirkungen. Bienen gehen in die Apotheke der Pflanzenwelt und versorgen sich dort mit Medikamenten.

Im Mittelalter haben in Europa Menschen im Falle von Epidemien die Städte verlassen und sind aufs Land gezogen. Eine Verhaltensstrategie, die die Ausbreitung von Krankheiten gebremst hat. Auch Honigbienen zeigen Verhaltensänderungen im Falle des Auftretens von Krankheiten. Eine für kranke Einzelbienen fatale Tatsache ist, dass Infektionen oder Parasitenbefall die Orientierungsfähigkeit der Tiere nachteilig beeinflussen können. Kranke Tiere finden von den Sammelflügen nicht mehr zum eigenen Volk zurück, bleiben draußen im Feld und sterben dort.

Diese Selbstreinigungsmethode des Superorganismus kann aber durchaus auch die gegenteilige Wirkung haben: Gefährlich wird es, wenn sich kranke, verstoßene Bienen in andere nahe gelegene Bienenstöcker verirren. Dieser natürlich entstandene Mechanismus zur Abstoßung kranker Tiere führt dann zur Verbreitung von Krankheiten in benachbarten Bienenvölkern. Dieses Problem wird durch die Wächterbienen zwar etwas gemildert, aber nicht komplett gelöst.

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Honigbienen leben im Bienenstock in ständigem Körperkontakt. „Social distancing“ zur Bekämpfung der Ausbreitung von Krankheiten ist nicht möglich (Foto: Ingo Arndt).

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