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Francois Huber Bienenstock

Der blinde Bienenforscher François Huber

Dem Schweizer Bienenforscher François Huber (1750 - 1831) sind wichtige Entdeckungen zur Biologie der Honigbiene gelungen, die unser Wissen über die Bienen in relevanten Aspekten erweitert haben und die bis heute gültig sind. Das Erstaunliche: Er war blind.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Doch wie ist er bei seinen Studien vorgegangen? Zunächst ersann François Huber einen vollkommen neuartigen Bienenstock, in dem die einzelnen Waben wie die Seiten eines Buches umgeblättert werden konnten (Abb.1). Es gab zu dieser Zeit zwar schon gläserne Bienenstöcke, man konnte an denen aber nicht studieren, was zwischen den einzelnen Waben geschah. Dann gab François Huber seiner Ehefrau Marie-Aimée und seinem Diener François Burnens sehr genaue Anweisungen, worauf sie beim Beobachten der Bienen zu achten hatten. Sie schilderten ihm, was sie seinen Anweisungen folgend an den Bienen sehen konnten.

Von der Paarung der Königin und dem Wabenbau


Durch die Augen seiner Helfer entdeckte Huber, dass jungfräuliche Königinnen nicht von den Drohnen im eigenen Bienenstock begattet werden. Sie müssen den Bienenstock verlassen, da die Paarung hoch in der Luft stattfindet.
Auch zur Entstehung der Wachsschuppen, deren Bildung erstmals der Pastor Hermann Christian Hornbostel aus Dörverden im Jahr 1720 direkt beobachtet hatte, hat Huber entscheidende Einsichten gewinnen können. Er hat als erster beschrieben, dass Bienen ihre Waben in einem ganz bestimmten Abstand zueinander bauen. Zudem hat er den Luftaustausch in einem Bienenstock und das Fächelverhalten der Bienen gründlich studiert und beschrieben. In seinen Worten klingt das wie folgt: „Ich entschloss mich, zu dem Ende vor dem Flugloche eines Stockes kleine, sehr leichte Windmesser, z. B. Papierstreifchen, Federn, Baumwolle, anzubringen. Diese mittels eines Fadens an einem Stäbchen aufgehängten Windmesser mussten mir nachweisen, ob an dem Flugloche der Bienenstöcke eine merkliche Luftströmung stattfinde und von welcher Stärke sie sei […]. Kaum waren die Windmesser in den Bereich der Bienen-Atmosphäre gekommen, als sie auch schon in Bewegung gerieten; bald schienen sie sich gegen das Flugloch zu stürzen und daselbst einen Augenblick zu verweilen, bald hielten sie sich, mit derselben Geschwindigkeit zurückschnellend, einen oder zwei Zoll von der Pendellinie entfernt in der Luft. Diese Anziehungen und Abstoßungen schienen mir mit der Anzahl der fächelnden Bienen im Verhältnis zu stehen; mitunter waren sie weniger merklich, aber nie hörten sie ganz auf.“ (Huber 1796)

Bienen besser verstehen


Auch dazu, wie Bienen neue Futterquellen entdecken, dachte er sich Experimente aus, die er wie folgt beschrieb: „[…] ob der Geruch des Honigs und nicht bloß der Anblick der Blumen sie von seinem Vorhandensein benachrichtigte, musste ich diese Substanz an einem Orte verbergen, zu welchem das Auge keinen Zugang hatte. […] Ich nahm Kästchen von verschiedener Größe, Farbe und Gestalt, brachte an den in ihren Deckeln gemachten Löchern kleine Klappen von Kartenpapier an, goss dann auf den Boden der Kästchen Honig und stellte sie zweihundert Schritte von meinem Bienenhause auf. Nach einer halben Stunde sah ich Bienen bei diesen Kästchen ankommen, welche dieselben aufmerksam umkreisten und gar bald die Stelle ausfindig gemacht hatten, wo sie eindringen konnten; ich sah, wie sie die Klappen zurückschlugen und zum Honig vordrangen.“ (Huber 1796)

So nehmen Menschen mit Sehbehinderung Bienen wahr


Aber auch ohne Helfer, wie diejenigen, die François Huber unterstützten, können sehbehinderte Mitmenschen mit ihrem geübtem Gehör tiefe Einblicke in das Innenleben eines Bienenvolkes gewinnen. Den Großteil ihres Lebens verbringen die Bienen im dunklen Bienenstock, wo die Kommunikation zwischen ihnen vor allem über feinste Vibrationen erfolgt, die wir Menschen als Luftschall hören können.
Um auch junge Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen dazu anzuregen, sich für Bienen zu interessieren und vielleicht sogar Kontakt zu lebenden Bienenvölkern zu suchen, veröffentlicht der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. ein neues Tastbuch für Kinder, „Imke fliegt zur Sonne“. Das Buch wird zum Welt-Braille-Tag am 4. Januar 2022, dem Geburtstag von Louis Braille, dem Erfinders des ertastbaren Punktschriftsystems, veröffentlicht.
In der Geschichte, durch die Tastbilder und die ergänzenden Erklärungen zum Hören, erfahren die jungen Leserinnen und Leser viel über das Leben von Honigbienen: Sie können die Zellenstruktur einer Wabe ertasten und Waben aus einem Bienenkasten ziehen; sie erfahren die Tricks der Bienen, mit denen sie einander den Weg zu leckeren Blüten verraten, können ein Verteidigungsnetz aus Bienen puzzeln und Bienenstacheln mit denen von Wespen vergleichen. Schließlich können sie genau nachvollziehen, wie Bienen den Nektar aus Blüten saugen. Das neue Tastbuch des DBSV kann ab Januar 2022 mit vollständiger Liefer- und Rechnungsadresse per E-Mail bestellt werden.

Literatur:
Huber, F.: Nouvelles observations sur les abeilles, Paris 1796. Neue Beobachtungen an den Bienen, deutsch von G. Kleine, Einbeck 1856.

Abb.1
Der Bienenstock wie ihn François Huber zum Studium der Honigbienen ersonnen hatte.

Abb.2
Cover des Tastbuches „Imke fliegt zur Sonne“

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