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Wild lebende Honigbienen im Ökosystem Wald

Wälder sind ein komplexes Ökosystem, in dem viele Pflanzen- und Tierarten gemeinsam leben. Wie fügt sich eigentlich die wild lebende Honigbiene in dieses System ein? Ein Gastbeitrag von Dipl.-Biologin Sigrun Mittl.

Unsere Wälder als Ökosysteme gehen auf eine über 300 Millionen Jahre andauernde Evolutionsgeschichte zurück, in der Honigbienen immer eine wichtige Rolle gespielt haben. Dabei stehen die Honigbienen und der Wald in einer interessanten Wechselbeziehung und profitieren voneinander. In diesem Artikel möchte ich einige Aspekte dieser Wechselbeziehung näher beleuchten.

Warum mir dieses Thema wichtig ist? Über Tausende von Jahren haben Menschen zuerst nur den Honig wild lebender Honigbienenvölker erbeutet, später Waldbienenhaltung betrieben (Zeidlerei) und zuletzt Honigbienen aus dem Wald zu sich nach Hause geholt und domestiziert. Die westliche Honigbiene ist also auch ein fast vergessenes Geschenk des Waldes an uns Menschen. Daher ist es mir seit vielen Jahren ein Anliegen, diese Zusammenhänge wieder ins Bewusstsein zu bringen.

Über die Gastautorin:

Diplom-Biologin Sigrun Mittl erforscht seit 9 Jahren verschiedene Themen rund um die einheimische Dunkle Biene und die Honigbiene in Imkerhand im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Nutztierhaltung. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen zur schöpfungsnahen Bienenhaltung und dem Schutz der wild lebenden Honigbienen. Darüber berichtet sie auf https://bienen-dialoge.de/ und auf ihrem YouTube-Kanal. 2021 werden ihre Texte als Buch erscheinen.

Der Wald als Lebensraum für Honigbienen

Wild lebende Honigbienen nutzen sehr häufig kleine Höhlen oder Löcher in Baumstämmen als Nester. Deshalb verdanken sie ihre Bienenwohnungen vor allem dem Schwarzspecht, dem Buntspecht sowie einigen Pilzen. Diese drei sind nämlich dafür verantwortlich, dass genügend Höhlen in Bäumen entstehen.

Der Schwarzspecht zimmert für sich und viele andere Waldtierarten wie z. B. Hohltaube, Baummarder, Siebenschläfer, Fledermäuse und eben unsere Honigbienen warme kuschelige Wohnungen, die heiß umkämpft sind.

Unscheinbare Pilze schaffen weiteren notwendigen Wohnraum. Sie dringen in Astabbrüche, Blitzrinnen oder vom Sturm verletzte Bäume ein und erschaffen im Laufe von Jahrzehnten wichtige Höhlen.

Voraussetzung für dieses Spiel und Wirken sind naturnahe Wälder, in denen Buchen, Eichen, Linden und Ahorne wachsen. Diese wunderschönen Wälder mit knorrigen Eichen und uralten Buchen sind Relikte der früher sehr verbreiteten Waldweide, die ein buntes und artenreiches Mosaik von verschiedensten Lebensräumen garantierte. In diesen Waldweiden konnten auch unsere Honigbienen genügend Höhlen und Tracht (also Nahrung) finden. Das vielfältige Pflanzenleben in Wald, Moor und Heide bot ihnen von Frühling bis Herbst reiche und abwechslungsreiche Nahrung. Die wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für die Gesundheit und ein starkes Immunsystem der wild lebenden Honigbiene.

So nützt die Honigbiene dem Wald

Doch nicht nur die Honigbiene profitiert vom Lebensraum Wald. Auch das Ökosystem Wald profitiert von der Honigbiene. Früher wie heute sorgen Waldhonigbienen gemeinsam mit anderen Tieren beispielsweise für die Bestäubung sehr vieler Waldbäume und –pflanzen. Nennen möchte ich Hasel, Weide, Spitz- und Bergahorn, Kirsche, Wildapfel, Linde, Hartriegel, Weißdorn, Wildrose, Heidel- und Preiselbeere, Himbeere, Brombeere, Ginster, Weidenröschen und Besenheide.

Die Wechselbeziehung zwischen Wald und Honigbiene hat noch einen weiteren Vorteil für die Bäume: Die Bienen sorgen zusammen mit den Ameisen dafür, dass die Blätter und Nadeln der Bäume atmen können, indem sie den Honigtau ernten, den Blatt- und Rindenläuse erzeugen. Tun sie das nicht, so würden kleine niedere Pilze die Blätter und Nadeln überziehen und ihre Atemöffnungen, die sog. Spaltöffnungen, verstopfen.

Ich denke aber auch an eine Arbeit von Tautz und Róstas von 2008, in der die beiden Forscher Folgendes beschreiben: Gefräßige Raupen wurden durch das Summen von Honigbienen vom Fressen des geliebten Blattgrüns abgehalten, denn das Summen der Honigbienen erinnerte die Raupen an ihren Fressfeind, die Faltenwespe. Als ich diesen Artikel las, tauchte ein Bild vor meinem geistigen Auge auf: Wild lebende Honigbienen summten durch den Wald und lehrten vielleicht den Eichenprozessionsspinner das Fürchten. Die Raupen ließen sich fallen. Ende der Fressorgie. Haben so in früheren Zeiten die Honigbienen vielleicht dazu beigetragen, schwere Schäden in Wäldern zu verhindern? Könnte doch sein, ist aber wohl noch nicht erforscht.

Alles steht in Beziehung miteinander

Die wild lebende Honigbiene profitiert also vom Wald und andersherum. Doch zum Ökosystem gehören natürlich auch die weiteren Waldbewohner. Sie alle sind Mosaiksteine im Ökosystem Wald und nehmen Einfluss aufeinander – sei es in Bezug auf Nahrung oder Lebensräume. Ein Beispiel:
Mit viel Glück und Ausdauer können wir folgendes Schauspiel an einer Schwarzspechthöhle beobachten. Ein Schwarzspecht zieht in einer Baumhöhle seine Jungen auf und macht diese dann frei für die schon wartende Hohltaube. Auch sie verlässt nach erfolgreicher Aufzucht die Höhle, für die sich schon ein Honigbienen-Nachschwarm als Nachmieter beworben hat.

Nachdem der Schwarm sich gemütlich eingerichtet und ein schönes Brutnest aufgebaut hat, findet ein Grünspecht diese Höhle auf der Suche nach einer schönen Drive-in-Proteinmahlzeit. Er frisst besonders gerne die saftigen Larven der Honigbiene. Die Honigbienen versuchen, den Eindringling mit Stichen zu vertreiben, aber vergeblich. Er wirft das Volk samt Wabenbau hochkant aus der Höhle und lässt sich dann die Brut schmecken.

Dass der Grünspecht die Waben aus der Höhle zerrt und hinauswirft, kommt nachfolgenden Bewohnern zugute. Zum einen ist nun wieder Platz in der Baumhöhle. Zum anderen haben sich auf und in den Waben möglicherweise Krankheitserreger angesammelt, z. B. Viren, Bakterien und Varroamilben. Indem der Grünspecht die Waben ausräumt, säubert er damit ungewollt die Höhle und beseitigt mögliche Krankheitskeime. Wenn ein neuer Honigbienenschwarm, eine Schellente oder ein Baummarder im nächsten Frühling diese Höhle beziehen möchten, ist sie sauber und für einen Einzug vorbereitet.

Alles hängt also mit allem zusammen, alles braucht sich. Ein Werden und Vergehen, der Tanz der Natur.

In der nächsten Folge erfahren wir, dass wir zwei Kategorien von wild lebenden Honigbienen unterscheiden: die wilden (englisch: wild) Honigbienen und die verwilderten (englisch: feral) Honigbienen. Seien Sie gespannt!

Ihre Sigrun Mittl

Literatur:
Sigrun Mittl (2019): Ein bisher kaum beachteter Mosaikstein im Ökosystem Wald: Die wild lebende Honigbiene Apis mellifera und die Rolle von Spechten und Pilzen für ihr Überleben; https://bienen-dialoge.de/mosaikstein-im-oekosystem-wald-die-wild-lebende-honigbiene/
Jürgen Tautz und Michael Róstas (2008): Bienen stoppen Raupen; https://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/aktuelles/nachrichtenarchiv/archiv-single/news/bienen-sto/

Abbildung:
Honigbienen bewohnen eine längst verlassene Schwarzspechthöhle in einer Buche.
Aus: Ingo Arndt und Jürgen Tautz: Honigbienen – geheimnisvolle Waldbewohner. Knesebeck 2020.

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