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Unsere Westliche Honigbiene als Wildtier und als Nutztier

Sie brachte den Honig aus den Wäldern zu uns nach Hause. Doch heute gilt die Wildbiene in Deutschland als ausgerottet. Aber woher kommt diese Honigbiene eigentlich, und wie gelangte sie in Imkerhand? Ein Gastbeitrag von Dipl.-Biologin Sigrun Mittl.

Die Meinung, dass die Honigbiene ein gezüchtetes Nutztier ist, ist weit verbreitet. Warum sie zu den einheimischen Arten bzw. Unterarten zählt und dazu noch eine Wildbiene ist, darüber möchte ich Sie in diesem Beitrag informieren.

Verbreitung der Wildbiene und ihrer Unterarten

Die Wildbiene, auch als Westliche Honigbiene bezeichnet, breitete sich im Laufe von Jahrtausenden über ganz Europa, Afrika und Teile des Vorderen Orients aus. Dabei haben sich aufgrund der unterschiedlichen klimatischen und geographischen Verhältnisse in den jeweiligen Landstrichen rund 27 Unterarten ausgebildet. Die drei bekanntesten Unterarten sind die Dunkle Biene, die Kärntner Biene und die Italienische Biene.

Über die Gastautorin:

Diplom-Biologin Sigrun Mittl erforscht seit 9 Jahren verschiedene Themen rund um die einheimische Dunkle Biene und die Honigbiene in Imkerhand im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Nutztierhaltung. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen zur schöpfungsnahen Bienenhaltung und dem Schutz der wild lebenden Honigbienen. Darüber berichtet sie auf https://bienen-dialoge.de/ und auf ihrem YouTube-Kanal. 2021 werden ihre Texte als Buch erscheinen.

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Karl Udo Gerth: Verbreitungsgebiet der Apis mellifera L.

Dunkle Biene: Wildtier und Nutztier zugleich

Die Dunkle Biene ist die einzige in Deutschland einheimische Honigbiene. Sie lebt seit Urzeiten in unseren Wäldern, Höhlen und Mauern und gehörte – übrigens genauso wie die Laubgehölze Linde, Wildkirsche und Eiche – zu unserer nacheiszeitlichen Lebensgemeinschaft. Nach der letzten Eiszeit besiedelte sie das ganze Gebiet nördlich der Alpen von den Pyrenäen bis zum Ural. Auswanderer brachten sie nach Nordamerika und Australien, und so erreichte sie um 1850 ihre größte Verbreitung.

Der berühmte Naturforscher Carl von Linné verwendete bei seiner Beschreibung der Art Apis mellifera die in Mitteleuropa weitverbreitete Unterart Dunkle Biene (Apis mellifera mellifera). Dieser Umstand macht deutlich, dass die heute häufig vorgenommene Trennung von Honigbiene und Wildbiene wissenschaftlich nicht zulässig ist – zumindest was die reinen Unterarten und damit unsere einheimische Honigbiene, die Dunkle Biene, betrifft. Die Westliche Honigbiene ist eine Vertreterin der Familie Apidae, der Echten Bienen, und somit eine Wildbiene und ein „Wildtier“.

Unter die Kategorie „Nutztier“ fällt dagegen die in Imkerhand gehaltene Landbiene. Sie ist das Ergebnis einer ständigen Verkreuzung der drei Unterarten Dunkle Biene, Kärntner Biene und Italienische Biene sowie ganz genau genommen auch noch der Buckfast-Biene, der einzigen bekannten Honigbienen-Rasse. In diese Rasse wurden weitere Unterarten der Westlichen Honigbiene eingekreuzt, sodass auch von diesen Genmaterial in unserer heutigen Landbiene zu finden ist.

Wie kam die wilde Honigbiene in die Zucht?

Die gesamte Bienenhaltung ruht auf der Nutzung der wilden Honigbienen-Unterarten. Um mehr von dem kostbaren Honig der wilden Bienen zu erhalten, wurde zunächst die Waldbienenhaltung (Zeidlerei) betrieben. Hierzu hat man Höhlen in geeignete Bäume geschlagen und in ihnen Schwärme aus den vorhandenen Wildpopulationen angesiedelt. Die Anfänge der späteren Imkerei vermutet der Bienenforscher Ruttner darin, dass diese von einem wilden Bienenvolk bewohnten Abschnitte aus dem Wald direkt in den Hausgarten geholt wurden. Die Bienenhaltung in sogenannten Klotzbeuten war geboren. So gesehen sind Bienenvölker in Imkerhand und die wilden Bienen im Wald der Abstammung nach dasselbe. Erst mit der Zeit hat sich die heute übliche Unterscheidung der Honigbienen in Wildtier und Nutztier entwickelt.

Das Aussterben der wilden Honigbiene

Laut Definition der Europäischen Roten Liste der Bienen werden ausschließlich die in freier Natur lebenden einheimischen Unterarten der Honigbienen als wilde Honigbienen bezeichnet. Auf Deutschland bezogen verdient demnach nur die wild lebende Dunkle Biene dieses Prädikat „wilde Honigbiene“. Diese Wildbiene summte bis vor rund 100 Jahren noch in Deutschlands Wäldern, ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach heute ausgestorben.

Wie konnte es dazu kommen? Mit der aufkommenden modernen Imkerei ging ein reger Bienenhandel sowie die unkontrollierte Einfuhr von nicht einheimischen Unterarten der Honigbienen wie der Kärntner und der Italienischen Biene einher. Die zunehmende Verkreuzung der Dunklen Biene mit diesen Arten führte zu ihrer vermutlich vollständigen Ausrottung. Von wilden Honigbienen ist in der Literatur ab 1900 keine Rede mehr, sondern nur noch von den aus der Wildnis geholten Dunklen Bienen, die gezüchtet wurden. Das benutzte Wort „Stamm“ weist eindeutig auf die Zucht der Biene hin. Für Deutschland finden wir den letzten Hinweis auf Dunkle Bienen bei dem berühmten Bienenforscher Zander 1914: „Man trifft sie höchstens noch auf ganz entlegenen Gehöften.“ Aus Österreich liefert der Bienenforscher Ruttner den letzten Hinweis: Trotz angestrengter Suche 1950 konnte er nur noch einen einzigen Stamm der Dunklen Biene im hintersten Zillertal aufspüren.

Verwilderte Bienen statt Wildbienen

Welche wild lebenden Honigbienen summen dann heute in unseren Wäldern, wenn es nicht die Dunkle Biene ist? Wer das große Glück hat, in der freien Natur Bienen in einer Baumhöhle zu finden, hat mit größter Wahrscheinlichkeit ein sogenanntes verwildertes Volk vor sich. Diese Bienen sind als Schwarm aus Imkerhand entkommen und versuchen nun, in freier Wildbahn zu überleben.
Wir kennen also zwei Kategorien der wild lebenden Honigbienen: die wilden und die verwilderten. Im nächsten Beitrag wollen wir uns ausführlicher mit diesen beiden wild lebenden Honigbienen beschäftigen. Bis wann fanden sich noch Dunkle Bienen in freier Wildbahn, welche Unterarten wurden eingeführt, die zur Verkreuzung der Dunklen Biene führten, wie lange wurde in Deutschland die Dunkle Biene noch gezüchtet und seit wann finden wir nur noch verwilderte Landbienen? Und was können wir zum Schutzstatus der wilden Honigbiene und der verwilderten Honigbiene sagen? Fragen über Fragen. Bleiben Sie gespannt!

Ihre Sigrun Mittl

Literatur:
Sigrun Mittl (2016): Die Dunkle Europäische Biene – eine ausgestorbene Wildbiene und ein extrem gefährdetes Nutztier im Spannungsfeld von Naturschutz und Imkerei – Vortrag September 2015; https://bienen-dialoge.de/die-dunkle-biene/
Friedrich Ruttner (1992): Naturgeschichte der Honigbienen. München, Ehrenwirth Verlag.

Abbildung:
Karl Udo Gerth: Verbreitungsgebiet der Apis mellifera L. – https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:EU_Apis_Mellifera_L

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