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Titel_November_Kolumne

Tanzen, piepen, heizen - die komplexen Startvorbereitungen für das Schwärmen eines Bienenschwarms

Im Mai und Juni beginnt ein Teil des Bienenvolks, zu schwärmen. Dabei ist vor allem der Start eines Schwarmes ein eindrucksvolles Erlebnis – denn dieser gleicht einer filmreifen Explosion.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Im Frühsommer verlassen mehrere Tausend Bienen zusammen mit der alten Königin die Bienenbeute, wenn dies nicht vom Imker verhindert und unterdrückt wird. Der Rest des Volkes verbleibt im alten Stock und zieht eine neue Königin heran, die sich schon bald auf den Begattungsflug begibt. Hat die alte Königin mit bis zu 20.000 Begleiterinnen das alte Nest verlassen, wird zunächst in der Nähe des alten Standorts, z. B. an einem Baum, ein Zwischenstopp eingelegt. Von hier aus begeben sich sogenannte Scout-Bienen auf die Suche nach einer neuen Unterkunft. Erfolgreiche Scout-Bienen zeigen zunächst auf der Oberfläche der Schwarmtraube durch Tänze ihre jeweiligen Entdeckungen an. Durch einen internen Abstimmungsprozess, den Thomas Seeley so wunderbar erforscht und beschrieben hat (Seeley 2015), wird am Ende dann nur noch für die beste unter allen entdeckten Unterkünften geworben.

Doch was genau geschieht zwischen der Festlegung auf ein Ziel und dem tatsächlichen Aufbruch der Bienen? Der gleichzeitige Aufbruch des Schwarmes muss schließlich zeitlich koordiniert werden. Dabei gilt es, ein Problem zu lösen: Vom Tanz der Scout-Bienen erfahren anfangs nur wenige Bienen. Nämlich die, die sich genau an der Oberfläche der Schwarmtraube aufhalten. Die große Masse an Bienen im Inneren des Schwarmes bekommt davon nur wenig mit. Wie der BIEN die Situation in den Griff bekommt, haben Thomas Seeley und Jürgen Tautz, gemeinsam mit Doktoranden erforscht (Seeley & Tautz 2001, Seeley et al. 2003).

Tanzfolge_November_Kolumne
Verhaltensweise einer Arbeiterin auf der Oberfläche einer Schwarmtraube, um den Schwarm zum Aufbruch zu bringen. Diese Biene tanzt und piept. Die schwarzen Punkte entlang der Laufspur geben dafür die Zeitpunkte an. Die Strichmarken an der Laufspur geben Sekundenabstände an (aus Seeley und Tautz 2001).

Es fällt auf, dass beim Aufbruch einer Schwarmtraube die Bienen nicht schichtweise starten. Es hätte ja durchaus sein können, dass zunächst die oberste Lage Bienen losfliegt und dies das Signal für die darunter sitzenden Bienen ist, ebenfalls loszufliegen. Und so weiter …

Allerdings findet kein Abblättern von außen nach innen statt, sondern eine regelrechte Explosion der Schwarmtraube. Doch betrachten wir die Vorgänge der Reihe nach: Sobald sich die Bienen auf ein Ziel geeinigt haben, fliegen wenige Bienen, die dieses Ziel kennen, zwischen Ziel und Schwarmtraube hin und her. Auf dem Weg beduften sie das Ziel mit Geraniol, einem besonderen, wegweisenden Geruchsstoff aus der Nasanov-Drüse, und tanzen auf der Schwarmtraube quasi ihre Wegbeschreibung für das Ziel. Ganz plötzlich kommt zusätzlich zu den Tänzen ein weiteres Verhalten ins Spiel: Mit empfindlichen Mikrofonen kann man beobachten, dass die Tänzerinnen die Tanzfolge unterbrechen, auf den Bienen der Schwarmtraube herumlaufen und dabei in regelmäßigen Abständen mit ihrer Flugmuskulatur kurze Pieplaute erzeugen (Abb.1). Später wird oft gar nicht mehr getanzt, sondern nur noch gepiept (Abb. 2). Dann beginnen diese Bienen, die erst zwischen Schwarmtraube und Ziel hin und her fliegen, zu tanzen, später zu piepen und sich in das Innere der Traube zu wühlen, während sie dabei immer heftiger piepen. Bienen sind zwar taub, aber höchst vibrationsempfindlich. Im Inneren der Schwarmtraube sind die Bienen am dichtesten gepackt, so wird jedes Piepsignal direkt auf die Körper der kontaktierten Bienen übertragen. Die „Pieper-Bienen“ werden dabei in ihrem Bemühen eifriger und eifriger.

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Laufspuren und Piepverhalten von drei Bienen auf der Oberfläche der Schwarmtraube. Markierungen wie in Abb.1. In den Boxen notiert sind die Zeitpunkte vor dem Start des Schwarmes, zu denen die jeweiligen Bienen von Tanzen auf Piepen umgestiegen sind (aus Seeley und Tautz 2001).

Was bei den angepiepten Bienen ausgelöst wird, zeigt die Betrachtung der Schwarmtraube mit einer Wärmekamera: Jede Biene, die angepiept wurde, beginnt ihre Körpertemperatur hoch zu heizen (Abb. 3). Nach etwa 30 Minuten haben alle Bienen, selbst im tiefsten Inneren der Schwarmtraube, Piepsignale erhalten und sich hochgeheizt. In den letzten zehn Minuten vor dem Start des Schwarmes wird noch einmal „Vollgas“ gegeben. Ist die Gesamttemperatur der Schwarmtraube bei etwa 35 Grad Celsius angekommen, ist die kritische Temperatur erreicht und der Schwarm explodiert regelrecht (Seeley et al.2003). Nun bilden die Bienen am Ort des Aufbruchs eine große kugelförmige Wolke, die allmählich zu einer Zigarrenform auseinandergezogen wird. In dieser Form nimmt der Schwarm Fahrt auf und fliegt in Richtung des neuen Nistplatzes. Dabei werden die Bienen von einigen wenigen angeleitet, die das Ziel bereits kennen. Die neue Behausung zeigen sie dem restlichen Volk durch Signale, die auch bei der Bekanntgabe neuer Futterplätze untereinander genutzt werden.

Bienen_Koerpertemperatur_November_Kolumne
Aufheizen der Schwarmtraube auf Abflugtemperatur. Oben: Etwa 20 Minuten vor der Explosion der Schwarmtraube. Im Thermobild (rechts) ist lediglich eine einzige heiße Arbeiterin zu sehen. Unten: Etwa 3 Minuten vor dem Abflug aller Bienen. Nun sind fast alle Tiere aufgeheizt (aus Tautz 2014).

Literatur

Seeley, T.: Bienendemokratie: Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können. FISCHER Taschenbuch, 2015.
Seeley,T. & J.Tautz: Worker piping in honey bee swarms and its role in preparing for liftoff. J.comp.Physiol.187, 667-676, 2001.
Seeley, T.D., Kleinhenz, M., Bujok, B., Tautz, J.: Thorough warm-up before take-off in honey bee swarms. Naturwissenschaften 90, 256-260, 2003.
Tautz,J.: Die Erforschung der Bienenwelt. Neue Daten – neues Wissen. Audi-Stiftung, Ingolstadt 2014.

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