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Sind Honigbienen taub?

Schon vor Jahrhunderten gehörte es zum fest etablierten „Wissen“ im Umgang mit Honigbienen, Bienenschwärme durch starke Lärmerzeugung zum Landen zu bringen. Was ist aus heutiger Sicht davon zu halten? Was wissen wir über den Gehörsinn der Honigbienen?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Wie Menschen und Tiere „hören“

In der Sinnesbiologie versteht man unter „Hören“ die Wahrnehmung von Schallwellen durch Luft oder durch Wasser. Schallwellen sind Schwankungen des Luftdruckes, die sich mit Schallgeschwindigkeit in alle Richtungen weg von einer Schallquelle ausbreiten. Um solche Schallwellen wahrnehmen zu können, haben viele Tiere Trommelfelle entwickelt, die wie die Membran eines Mikrophons durch den Schall in Schwingungen versetzt werden. Solche Trommelfelle sitzen bei den Wirbeltieren am Kopf. Bei Insekten befinden sie sich nie am Kopf, sondern (wie bei den Zikaden) am Hinterleib oder in den Vorderbeinen (wie bei den Laubheuschrecken). Suchen wir bei Honigbienen nach Trommelfellen, werden wir keine finden. Sind sie also taub?

Eine andere Art von Trommelfell

Bei Insekten gibt es ein anderes Prinzip der Hörorgane, die nicht auf die Schwankungen des Druckes in einer Schallwelle reagieren, sondern auf die feinsten Luftbewegungen, die überhaupt die Ursache für die Entstehung von Druckschwankungen sind. Das sind beispielsweise ganz feine, sehr leicht bewegliche Sinneshärchen, wie sie bei Schmetterlingsraupen vorkommen. Es können aber auch sehr leicht bewegliche Fühler wie bei den Männchen der Stechmücken sein, die damit den Summton des weiblichen Flügelschlages wahrnehmen (Tautz 1989).

Finden wir solche hochempfindlichen Strukturen bei den Honigbienen? Bienen besitzen zwar Fühler und Sinneshaare, aber es muss schon recht ordentlich „wehen“, damit sie in Bewegung geraten und über angeschlossene Sinneszellen diesen Reiz melden.

So kommunizieren Bienen trotz Taubheit

Bei der Erforschung der Kommunikation bei Honigbienen finden wir in einem Bienennest eine hochdifferenzierte akustische Welt. Am auffälligsten ist das Tuten und Quaken der Jungköniginnen. Wie kann eine solche Kommunikation funktionieren, wenn keine Hörorgane vorhanden sind?

Was wir Menschen als Luftschall wahrnehmen, überträgt sich als feinste Schwingungen auf den Untergrund, auf dem ein Insekt steht. So leiten die Blätter von Pflanzen derartige Signale ganz wunderbar. Im Bienenstock sind es die Waben, die das empfindliche „Telefonnetz“ der Bienen bilden (Tautz 2002). Derartige Untergrundvibrationen reizen Sinneszellen in bestimmten Sinnesorganen, die bei allen Insekten am „Knie“ aller sechs Beine sitzen. Auch die Honigbienen haben solche „Subgenual-Organe“, sie „hören“ über ihre Beine auf die Schwingungen im Untergrund, auf dem sie stehen (Hrncir et al. 2005).

Wie konnten die alten Imker über die Jahrhunderte glauben, man könne die tauben Bienen durch Lärm zum Landen bringen? Meine Überlegung dazu geht wie folgt: Ein Bienenschwarm, den man zu Fuß verfolgen und „beschallen“ kann, fliegt bereits sehr langsam, weil er sich sowieso auf die Landung vorbereitet. Gleichzeitig erzeugter Lärm erweckt den Eindruck, der Lärm hätte die Landung der Bienen ausgelöst. Mit einem solchen Lärm, so könnte man meinen, haben die Menschen wohl eher ihre eigene Angst vor dem eindrucksvollen Naturschauspiel vertrieben.

Literatur
Hrncir, M., Barth, F.G. and Tautz, J.: Acoustic Communication in Bees. In “Insect Sound and Communicaton”, CRC Press 2005

Tautz, J.: Medienbewegung in der Sinneswelt der Arthropoden – Fallstudien zu einer Sinnesökologie. Information processing in animals Vol.6 (Hrsg. M. Lindauer).
G. Fischer, Stuttgart 1989.

Tautz, J.: Das Festnetz der Bienen. Spektrum der Wissenschaft August 2002, 60-66, 2002.

Abbildung
Schlüpfende Jungkönigin. Die akustische Verständigung zwischen den Königinnen, das Tuten und Quaken, findet über feinste Schwingungen statt, die über die Waben laufen
Foto: Ingo Arndt

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