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Können sich Honigbienen betrinken?

Wird im Herbst die Blütentracht knapp, interessieren sich Bienen auch für reifes und überreifes Obst. Dann sammeln sie Saft an aufgeplatzten Äpfeln, Kirschen oder Weintrauben. In den Waben im Bienenstock kann Honig mit höherem Fruchtsaftanteil zu gären beginnen – Alkohol entsteht. Doch welche Auswirkungen hat die Aufnahme von Alkohol auf Honigbienen und andere Insekten?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Der Anlass, sich mit dem Alkoholkonsum bei Bienen zu befassen, war ein Forschungsprojekt über das Sammeln von natürlich giftigem Nektar durch asiatische Honigbienen (Tan et al. 2012). Diese Bienen kommen mit den leicht giftigen Alkaloiden im Nektar zurecht. Doch wie verhält es sich mit Alkohol?

Im Prozess der alkoholischen Gärung verwandeln Mikroorganismen Kohlenhydrate in Ethanol und Kohlendioxid. Ethanol kann auch im Zuge von Abbauprozessen in Obst entstehen. So können verdorbene Früchte zum Teil beachtliche Mengen an Alkohol enthalten.

Doch nicht nur alte Früchte, sondern auch Bier übt auf beispielsweise winzige Taufliegen eine starke Anziehung aus. So findet man sie oftmals in Massen, ertrunken in einem Bierglas. Dabei geht es den Taufliegen nicht um den Alkohol, sondern um die süßlich schmeckende Verbindung Glycerin, die ebenfalls bei der Gärung entsteht.

Bekommen die kleinen Fliegen im Versuch Alkohol verabreicht, können sie erstaunliche Mengen vertragen, bevor sie reagieren wie betrunkene Menschen. Sie verlieren das Gleichgewicht und torkeln. Dabei wurde im Erbgut dieser Fliegen ein Gen entdeckt, dass es den Insekten möglich macht, mit immer mehr Mengen Alkohol zurechtzukommen. Sie vertragen im Laufe einer „Trinkerphase“ immer höhere Alkoholdosen.

Es gibt eine natürliche Bedeutung eines Alkoholgehaltes im Fliegenblut, allerdings nur bei deren Larven. Haben Fliegenlarven Alkohol konsumiert, haben sie eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit gegenüber parasitischen Wespen, deren Larven sich ansonsten in den Fliegenlarven entwickeln.

Und es gibt einen interessanten experimentellen Befund: Werden Taufliegenmännchen am Sex gehindert, bevorzugen sie in einem Auswahlversuch Nahrung mit einem Alkoholanteil von 15 Prozent. Der Grund: Sex und Alkohol aktivieren das gleiche Belohnungszentrum im Gehirn der Fliegen.

Doch wie wirkt Alkohol auf Honigbienen? Werden diese unter Laborbedingungen mit alkoholhaltiger Nahrung gefüttert, reagieren sie erkennbar betrunken. Sie schwanken beim Stehen, sie verzichten auf Körperpflege und fallen im Extremfall einfach auf den Rücken. Auch lernen sie deutlich schlechter neue Aufgaben zu lösen (Mustard et al. 2008).

Bienen besitzen wie alle Insekten kein spezifisches Enzym zum Abbau von Alkohol im Blut. Denn Insekten besitzen kein Blut, lediglich Hämolymphe, eine Flüssigkeit, die alle Organe umspült. Trotzdem war man lange Zeit davon ausgegangen, dass auch Insekten alkoholabbauende Enzyme besitzen. Dies wurde aber in jüngster Zeit revidiert. Trotz der molekularen Unterschiede zwischen Biene und Mensch erhoffen sich Forscher aus dem Studium der Alkoholwirkung auf Honigbienen Einsichten in die molekularen Mechanismen und Folgen von chronischem Alkoholgenuss (Miler et al. 2018). Honigbienen sind aber noch aus einem weiteren Grund für die Alkoholforschung sehr spannende Versuchstiere: Honigbienen sind genau wie wir Menschen hochsoziale Lebewesen, und es wird sehr interessant sein, weiter vertieft zu studieren, ob auch die Bienen unter Alkoholeinfluss ihr Sozialverhalten ändern (Abramson et al. 2005, Mixon et al. 2010), vor allem auch, ob sie gegenüber ihren Stockgenossinnen aggressiver werden.

Literatur
Abramson, C. I., Sanderson, C., Painter, J., Barnett, S. & Wells, H. The development of an ethanol model using social insects V: Honey bee foraging decisions under the influence of alcohol. Alcohol. 36, 187–193 (2005).

Miler, K., Kuszewska, K., Privalova, V., & M. Woyciechowski :
Honeybees show adaptive reactions to ethanol exposure. Scientific Reports volume 8, Article number: 8707 (2018)

Mixson, T. A., Abramson, C. I. & Bozic, J. The behavior and social communication of honey bees (Apis mellifera carnica Poll.) under the influence of alcohol. Psychol Rep. 106, 701–717 (2010)

Mustard, J. A. et al. Acute ethanol ingestion impairs appetitive olfactory learning and odor discrimination in the honeybee. Neurobiol Learn Mem. 90, 633–643 (2008).

Tan, K. , Wang, Z., Yang, M., Fuchs, S. , Luo, L., Zhang, Z., , Li, H., , Zhuang, D. , Yang, S. , Tautz, J. , Beekman, M. & B. P. Oldroyd: Asian hive bees, Apis cerana, modulate dance communication in response to nectar toxicity and demand. Animal behavior 2012, 1-6.

Abbildung
Eine Honigbiene sammelt anstelle von Nektar den Saft aus deponierten Weintrauben (Foto: Jürgen Tautz).

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