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Insektendämmerung - schon Realität?

"Ein globales Insektensterben könnte für die Zukunft der Menschheit schädlicher sein, als der Klimawandel." Diese Vermutung stellte der britische Universitätsdozent, Umweltschützer und Kolumnist George Monbiot im Oktober 2017 in der englischen Tageszeitung The Guardian auf. Vor einem "Insekt-Ageddon", also einer endzeitlichen Katastrophe, ist gar die Rede. Steckt hinter dieser plakativen Warnung nur Sensationsmache oder gibt es das große Insektensterben wirklich?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Über Ursachen und Hintergründe gibt es bisher noch viel zu wenige, nach wissenschaftlichen Standards, erhobene Daten. Doch die Beobachtungen, die Krefelder Hobby-Insektenkundler hierzulande über einen langen Zeitraum machten, werden auch durch internationale Wahrnehmungen bestätigt. Es lässt sich kaum noch von der Hand weisen: Die Zahl der Insekten nimmt ganz offenkundig dramatisch ab.

Sie brauchen uns nicht, wir brauchen sie

Insekten haben auf unserer Erde im Verlauf von Jahrmillionen, eine – unseren Augen zumeist verborgene – Parallelwelt entfaltet. Man schätzt die Anzahl der Arten auf weltweit bis zu 30 Millionen. Vermutlich kommen auf jeden Menschen etwa 200 Millionen Ameisen und sie repräsentieren nur einen Bruchteil der gesamten Insektenbiomasse. Viele Zeitgenossen sehen Insekten vor allem als lästige Unruhestifter und Schädlinge, für sie mag ihr Verschwinden ein Grund zur Freude sein. Tatsächlich ist es aber eine Katastrophe: Denn sie brauchen uns nicht, aber wir brauchen sie.
Insekten gestalten und erhalten nämlich die Welt, die auch wir zum Leben brauchen. Sie nehmen zentrale Aufgaben im Netzwerk der Natur wahr, zum Beispiel indem sie Pflanzen bestäuben. Diese Pflanzen bilden die Nahrungsgrundlage für unübersehbar viele Tierarten und eben auch für uns Menschen. Hinzu kommt, dass Insekten selbst auf dem Speisezettel vieler Tiere stehen. Ohne Insekten sind die meisten Singvögel nicht in der Lage, ihre Jungen aufzuziehen. Und ohne Singvögel fehlen wichtige Helfer, die Schadinsekten vertilgen.
Wenn die Insekten sterben, dann steht das gesamte Netzwerk, in dem Tiere und Pflanzen eng verwoben sind, auf dem Spiel. Die Welt wird zur Ödnis und auch wir Menschen büßen unsere Lebensqualität ein. Vor allem aber werden wir nicht mehr in der Lage sein, von ihren faszinierenden Fähigkeiten zu lernen. Dazu kommt ein riesiges Arsenal an biochemischen Verbindungen, die uns unschätzbare Dienste leisten können, etwa im Kampf gegen immer schwerer zu beherrschende Bakterienstämme. Diesen Schatz haben wir noch nicht annähernd gehoben.

Insektendaemmerung_WGnatzy
Selbst ein ehemals mit dessen Raupe als Gartenschädling bekanntes Insekt wie der Kohlweißling ist mittlerweile eine Seltenheit (Foto: W. Gnatzy).

Weniger Pestizide, mehr Wissen

Was aber ist zu tun, um die Schreckensvision von einem “Insekt-Ageddon” abzuwenden? Vorrangiges Ziel muss ein Umbau unserer Nahrungsmittelproduktion und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft sein. Pestizide sollten – wenn überhaupt noch erforderlich – mit biologischen Methoden der Schädlingsbekämpfung intelligent kombiniert werden. Auf die Landwirte zu schimpfen, reicht nicht. Wir Verbraucherinnen und Verbraucher sollten uns auch an die eigene Nase fassen und unsere Ernährungs- und Konsumgewohnheiten überdenken. Etwas mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, würde es Landwirten ermöglich, selbst mit geringeren Erträgen auskömmlich zu wirtschaften. Dann darf ein Apfel eben mal eine Insektenlarve beherbergen! Zusätzlich können Verbraucher und Verbraucherinnen mit kleinen Aktionen einen großen Unterschied machen: Inspirationen, beispielsweise für einen insektenfreundlichen Garten, gibt es hier auf der Website.

Und wir brauchen mehr Wissen. Durch den Aufbau eines globalen Monitoring-Netzwerkes sollten möglichst rasch belastbare Daten zur Umweltsituation und zum Zustand der Insektenwelt erfasst werden. Eine Initiative in diese Richtung ist das Projekt we4bee, das 2018 mit Unterstützung der AUDI Stiftung für Umwelt an den Start geht. Schulen und Imker werden hier naturnah und zugleich auf technisch hohem Niveau kooperieren, um an Bienenvölkern zu untersuchen, wie sich Umweltfaktoren auf das Leben von Insektenkolonien auswirken. Ein Schritt auch, um die Not der Insekten in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und den sechsbeinigen Mitgeschöpfen eine Lobby zu verschaffen.

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