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Hummelsterben: Ist die Silberlinde rehabilitiert?

Tote Hummeln wie gesät auf dem Boden, ein herzzerreißender Anblick. Dabei auffallend: Besonders häufig wird dieser schreckliche Anblick unter blühenden Linden geboten. Zu diesem mysteriösen Hummelsterben gibt es mehrere Theorien – die Silberlinde spielt dabei eine zentrale Rolle.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Warum finden sich auffällig viele tote Hummeln unter Linden? Es war naheliegend, direkt bei Bäumen auf Ursachenforschung zu gehen. Der Fokus fiel auf die Silberlinde (Tilia tomentosa), die als ursprünglich bei uns nicht beheimateter Zierbaum in Parks und als Alleebaum aufgrund seiner Robustheit gegenüber belastenden Umweltfaktoren beliebt ist.

Mannose – Gift für Insekten?

Alle Lindenarten sind bei Imkern sehr beliebt, da Lindenhonig ein ganz besonders wohlschmeckendes Naturprodukt ist. So machte es Imker und Landschaftsplaner, zuständig auch für die Anpflanzung von Bäumen, gleichermaßen unruhig, als eine Erklärung für das Hummelsterben im Nektar der Linden gefunden war:
Der Verdacht, was der Hummelkiller sein könnte, fiel auf einen Bestandteil des Lindennektar, die Mannose. Die Mannose ist ein Zucker, der aus den exakt gleichen atomaren Bestandteilen wie Glucose aufgebaut ist, nur dass die einzelnen Atome im Molekül anders räumlich angeordnet sind. Dieses chemische Detail führt zu einer Hemmwirkung von Enzymen im Körper von Insekten. Die Giftigkeit der Mannose für Insekten, auch für Bienen, wurde bereits 1939 in einer Studie von D. Staudenmayer gezeigt. Die tödliche Dosis liegt für die Honigbienen bei 0,4–0,5 mg. Untersuchungen toter Hummeln ergaben aber keine hohen Mannose-Mengen im Darm der Hummeln.

Es bleibt an dieser Stelle die Schlussfolgerung: Entweder sind die Hummeln gegenüber Mannose empfindlicher als die Honigbienen (dazu sind mir keine Forschungen bekannt), oder es kommen andere Ursachen für das Hummelsterben an Linden in Frage.

Auf der falschen Spur?

Es ist allerdings ebenso denkbar, dass die Mannose-Fährte von Beginn an die falsche Spur war. Zwei relativ jüngere Untersuchungen der Nektarzusammensetzung bei Silberlinden konnten keine Mannose auffinden (Baal u.a. 1994; Krasenbrink u.a. 1994). Eine andere Ursache für das Hummelsterben wird derzeit favorisiert (Koch und Stevenson 2017): Die späte Blühzeit der Silberlinde im Jahr soll schuld sein. Alle nektarsuchenden Insekten stürzen sich auf diese „Tracht“, wie der Imker das Blühangebot nennt, da zu dieser Jahreszeit oft weit und breit keine Alternative mehr geboten wird. Die hohe Konkurrenz an blühenden Lindenbäumen und der unter Umständen weite Flugweg vom Nest soll die Hummeln erschöpft und ohne Nahrungsreserven sterben, ja regelrecht verhungern, lassen.

Welche der Erklärungen nun überwiegend zutrifft, hat enorme Konsequenzen für den Einsatz von Silberlinden als Zier-und Alleebaum. Sind sie giftig, wäre ein Abholzen bestehender Bestände, wie vielfach geschehen, begründet. Ist es aber der Nahrungsmangel, dann sollten sogar mehr solcher Bäume angepflanzt werden. Das letzte Wort zu einer komplexen Lage ist sicherlich noch nicht gesprochen.

Literatur:

Staudenmayer, T: Die Giftigkeit der Mannose für Bienen und andere Insekten. Zeitschrift für vergleichende Physiologie. 26, 644–668, 1939.
Baal T, Denker B, Mühlen W, Surholt B: Die Ursachen des Massensterbens von Hummeln unter spätblühenden Linden. Nat. Landsch. 69, 412–418, 1994.

Krasenbrink A, Popp M, Denker B: Nektarzusammensetzung von Tilia tomentosa (Moench) und anderen Lindenarten/-hybriden. Z. Ökol. Nat.schutz 3, 237–242, 1994.

Koch, H and Stevenson, PC: Do linden trees kill bees? Reviewing the causes of bee deaths on silver linden (Tilia tomentosa) Biology letters 2017.
DOI: 10.1098/rsbl.2017.0484

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