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bee careful_Kolumne November19

Wann sind Honigbienen farbenblind?

Honigbienen besitzen, genau wie wir Menschen, drei unterschiedliche Arten farbempfindlicher Sehzellen. Jede dieser Sehzellen sieht eine bestimmte Lichtwellenlänge besonders gut. Bei uns Menschen sind das Rot, Grün und Blau, bei den Honigbienen Grün, Blau und das für uns unsichtbare Ultraviolett.

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Man vermutet, dass das Farbensehen der Insekten sehr alt ist und bereits vor dem Auftreten farbiger Blüten vorhanden war. Die Pflanzenfarbe, die seit dem Erscheinen der Landpflanzen dominiert, ist das Grün. Der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll (wörtlich: das Blattgrün) ist essentiell für den Vorgang der Photosynthese, mit dem die Pflanzen aus Kohlendioxid und Wasser Sauerstoff und Zuckerverbindungen herstellen. Die Notwendigkeit, blaues und ultraviolettes Licht zu sehen, hängt mit der Orientierung zusammen, bei der sich Insekten nach dem Himmelslicht ausrichten.

Da die drei Sehzelltypen aber nicht nur ganz eng Grün, Blau und Ultraviolett sehen können, sondern eine breite Farbpalette, konnten sich die Blüten mit Farben ausstatten, die von den sehr spät in der Pflanzenevolution aufgetretenen Bestäuberinsekten gesehen werden. Das geht so weit, dass viele Blütenblätter Muster hervorbringen, die lediglich durch das ultraviolette Licht sichtbar werden. Diese Muster können die Bienen sehen, wir aber nicht.

Die bunte Pflanzenwelt bietet den Honigbienen enorm viele Reize, die in dem kleinen Bienengehirn verarbeitet werden müssen. Es ist für eine Biene nur dann sinnvoll, die Farbe und die Form einer Blüte genau zu erkennen, wenn sie im langsamen Flug nach Blüten sucht, auf denen sie landen könnte. Fliegt eine Biene rasch über eine Landschaft, sollte der Sehsinn lediglich dazu dienen, sich zu orientieren und Hindernissen auszuweichen. Um die Reizüberforderung gering zu halten, werden Honigbienen in der Tat farbenblind, wenn sie rascher als etwa 5 Stundenkilometer fliegen, was in etwa der Geschwindigkeit eines Fußgängers gleicht – maximal sind etwa 30 Stundenkilometer möglich. Schnell fliegende Bienen sehen nur noch Grüntöne, sonst keine Farben mehr. Man könnte es sich bildlich so vorstellen, als würden wir Menschen die Welt nur noch in Schwarz und Weiß sehen.

Doch wie können wir wissen, welche Farben fliegende Bienen sehen?

Das haben Lars Chittka und Jürgen Tautz wie folgt herausgefunden (Chittka & Tautz 2002): Honigbienen bestimmen die Entfernung, die sie im Flug zurücklegen, durch den sogenannten optischen Fluss. Sie erfassen gewissermaßen die Bilder, die im Flug an ihnen vorbeiziehen. Diese Entfernungsmessung setzen die Bienen im Bienentanz in die Länge der Schwänzelstrecke um, mit der sie ihren Nachtänzerinnen eine ungefähre Entfernungsangabe zu einer Futterpflanze anzeigen.

Diese Art der Entfernungsmessung kann man nun täuschen, indem man die Bienen durch einen Tunnel fliegen lässt, dessen Wände mit Mustern versehen sind (Srinivasan u. a., 2000). Die Biene fliegt im Tunnel nah an den Mustern entlang, bekommt so einen hohen optischen Fluss und gibt im Schwänzeltanz eine weite Flugentfernung wieder. Das funktioniert wunderbar, wenn man ein reines Schwarz-Weiß-Muster nutzt. Nun kann man im Experiment die Farben des Musters beliebig verändern und auf diese Weise austesten, bei welcher Farbkombination die Biene nicht mehr in der Lage ist, im Tanz eine Entfernungsangabe zu machen, sie diese Farben also nicht mehr als Farben wahrnimmt. Die Resultate dieser Versuche, zusammen mit Experimenten an Hummeln (Spaethe u. a., 2001), die das nahezu identische Farbensehen besitzen, lassen den Schluss zu: Rasch fliegende Honigbienen sehen die Welt lediglich in Grüntönen, sie sind farbenblind.

Abbildung:
Fliegen Bienen durch einen engen Tunnel zu einem Futterplatz, geben sie im nachfolgenden Tanz im Bienenstock die subjektiv empfundene Flugentfernung an. Die Basis dafür ist der sogenannte optische Fluss. Das sind die Bilder, die im Flug an der Biene vorbeiziehen. Bietet man farbige Muster an, lässt sich feststellen, dass es nur die Grüntöne sind, die eine rasch fliegende Biene noch sehen kann.

Literatur
Chittka L. & J.Tautz: The spectral input to the honeybee visual odometry. Journal of Experimental Biology 206, 2393-2397, 2002.

Srinivasan, M.V., S.W. Zhang, S.W., Altwein,M. & J. Tautz: Honeybee navigation: nature and calibration of the “odometer”. Science 287, 851-853, 2000.

Spaethe,J., Tautz,J. & L.Chittka: Visual constraints in foraging bumble bees: flower size and color affect search time and flight behavior Proc.Nat.Acad.Sci.USA 98, 3898-3903, 2001.

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