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„Hören“ Blumen den Flügelschlag der Honigbienen?

In einer Studie stellten Forscher fest, dass Nachtkerzen aufgrund von bestimmten Umgebungsgeräuschen süßeren Nektar produzieren. Können die Blumen also buchstäblich „hören“?

Jürgen Tautz
Bienenexperte und bee careful Kooperationspartner Prof. Dr. Tautz

Die gemeinsame Entwicklung von Blütenpflanzen und deren Bestäubern blickt auf eine fast 200 Millionen Jahre lange Geschichte zurück. Vor etwa 120 Millionen Jahren kamen dabei Bienen ins Spiel. Unsere Honigbiene ist seit etwa 30 Millionen Jahren ein Teil dieser Geschichte. Die Konkurrenz der Blütenpflanzen um die „Bedienung“ durch die Bestäuber hat mit dem Aufkommen der Bienen vor 120 Millionen Jahren eine regelrechte Artenexplosion in Gang gesetzt und zu den etwa 350.000 Arten Blütenpflanzen geführt, die wir heute kennen.

Im Zuge der Co-Evolution von Blütenpflanzen und Bestäuberinsekten haben beide Organismengruppen auch Eigenschaften und Fähigkeiten herausgebildet, die dem Austausch von Informationen dienen. Am bekanntesten ist die Beziehung zwischen den Farben der Kronblätter der Blumen und dem Farbensehen der Honigbienen.

Zufallsentdeckung: Nachtkerzen reagieren auf Umgebungsgeräusche

Es geht aber auch umgekehrt, wie eine israelische Forschergruppe herausgefunden hat. Den Wissenschaftlern war mehr oder weniger zufällig aufgefallen, dass die Blüten von Nachtkerzen (Gattung Oenothera) einen süßeren Nektar produzieren, wenn sie in einer geräuschvollen Umgebung stehen. An diese Zufallsentdeckung schlossen die Forscher systematische Untersuchungen an und setzten Nachtkerzen verschiedenen Umgebungsgeräuschen aus. Die Blüten wurden dabei im Frequenzbereich 150 Hertz bis 8000 Hertz beschallt.

Der deutlichste Effekt dieser Beschallung bestand in einer Erhöhung der Zuckerkonzentration im Nektar um etwa 20% – und das nur innerhalb von drei Minuten nach Beginn der Beschallung. Der Frequenzbereich, der sich dabei als am wirkungsvollsten herausstellte, lag rund um die Flügelschlagfrequenz von Bienen und Hummeln. Auch die Luftschwingungen, die durch den Flügelschlag von Nachfaltern erzeugt werden, zeigten ähnliche Wirkungen. Diese Entdeckung bekam unter der Überschrift „Blumen hören“ eine hohe mediale Aufmerksamkeit.

Optimierte Blütenform für besseres Gehör

Die Autoren der Studie machten auf Basis ihrer Ergebnisse auch eine Annahme zur Form der Blume. Sie deuteten die Gestalt der Nachtkerzenblüten als „Ohren“, deren Form sich insbesondere für die Aufnahme vom Schall der Flügelschläge der Bestäuberinsekten entwickelt haben soll. Ihre Argumentation: Große Blüten bieten den Luftvibrationen, ausgelöst durch den Flügelschlag der Insekten, eine gute Angriffsfläche. Sie geraten dadurch in Schwingungen, die nach Meinung der Autoren der Studie als Anpassung in deren Beziehung zu den Insekten wie folgt gedeutet wird: Die Pflanzen „hören“ die sich nähernden Insekten und produzieren daraufhin attraktiveren Nektar, um die Insekten anzulocken und so von der Bestäubungsleistung der Bienen und Hummeln zu profitieren.

Blütenform doch nur Zufall?

Die Auffassung, die Blütengestalt hätte sich spezifisch als „Sinnesorgan“ an die Flugtöne von Insekten angepasst, wird von der Fachwelt nicht unwidersprochen aufgenommen – zumal eine physiologische Reaktion von Pflanzen auf mechanische Reize nichts Ungewöhnliches ist (Weiler 2000, Spektrum 2000).

Aber wäre es nicht ein schöner Gedanke, wenn die Forscher recht hätten und die Blumen den Bienen „zuhören“?

Literatur
Veits M, Khait I, Obolski U, Zinger E, Boonman A, Goldshtein A, Saban K, Seltzer R, Ben-Dor U, Estlein P, Kabat A, Peretz D, Ratzersdorfer I, Krylov S, Chamovitz D, Sapir Y, Yovel Y, Hadany L. Flowers respond to pollinator sound within minutes by increasing nectar sugar concentration. Ecol Lett. 2019 Sep;22(9):1483-1492. doi: 10.1111/ele.13331

Weiler, E.W.: Wie Pflanzen fühlen, Spektrum 3, 2000. https://www.spektrum.de/magazin/wie-pflanzen-fuehlen/826191

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