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Die Dunkle Biene und die Geschichte ihres Vergessens

Die Dunkle Biene Apis mellifera mellifera ist die einzige in Deutschland einheimische Honigbiene. Dies stellte Dipl.-Biologin Sigrun Mittl bereits in ihrem vorherigen Gastbeitrag vor. Doch aus welchem Grund ist die Dunkle Biene nahezu vollständig aus unserem Gedächtnis verschwunden? Die Antwort darauf erläutert Sigrun Mittl in einer informativen Zeitreise.

Alexander von Humboldt bereiste ab 1799 als Naturforscher die ganze Welt und brachte Kunde von Millionen unbekannter Tier- und Pflanzenarten. Charles Darwin folgte dieser neuen Forschungsrichtung und stach 1831 in See, gefolgt von Alfred Brehm, der circa 15 Jahre später aufbrach. Die drei Forscher teilten das Ziel, neue Tierarten und Unterarten zu entdecken, zu beschreiben und, wenn möglich, lebend nach Europa und Deutschland einzuführen.

Damit begann unter anderem auch die Bienenforschung, die sich damit beschäftigte, die unterschiedlich aussehenden Honigbienen aller Kontinente zu erfassen, sowie Theorien über Verwandtschaftsverhältnisse aufzustellen. Alle fleißigen Bienen wurden verglichen: nach Farben und Formen, Honig- und Wachsleistungen, Sanftmut und klimatische Vorlieben.

Über die Gastautorin:

Diplom-Biologin Sigrun Mittl erforscht seit 9 Jahren verschiedene Themen rund um die einheimische Dunkle Biene und die Honigbiene in Imkerhand im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Nutztierhaltung. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen zur schöpfungsnahen Bienenhaltung und dem Schutz der wild lebenden Honigbienen. Darüber berichtet sie auf https://bienen-dialoge.de/ und auf ihrem YouTube-Kanal. 2021 werden ihre Texte als Buch erscheinen.

Die Entwicklung der Bienenforschung

Mit der Zeit und der Wissensverbreitung kristallisierten sich drei Bereiche heraus:

  • die wissenschaftliche Erforschung der verschiedenen Bienenarten und -unterarten,
  • die Hobby-Zucht, basierend auf der Schönheit und Buntheit unterschiedlicher Unterarten
  • sowie die kommerziell motivierte Zucht, die mithilfe von Kreuzungen verschiedener Unterarten den Honigertrag wirtschaftlich steigern sollte.

In Pollmanns „Werth der verschiedenen Bienenracen und deren Varietäten“ aus dem Jahr 1889 liest sich diese Entwicklung so: „Unter den importirten Bienenracen, hat bis jetzt für die Wissenschaft die italienische sehr viel geleistet; auch die ägyptische ist in dieser Beziehung nicht ohne Belang geblieben. Ebenso ist der Farbenschmuck dieser beiden Racen herrlich und macht jenen Freude, die mit Recht das Heil der Imkerei von ihnen erwarten. (…) Es fragt sich nun, ob durch Kreuzung zweier Immenracen, eine neue dritte Race, eine sogenannte Culturrace, hergestellt werden könne, die wirklichen wirthschaftlichen Nutzen gewährte, d. h. die öconomisch vortheilhafter wäre, als die beiden jetzt besten, die unsere und die niederösterreichische.“ (1)

Die Verdrängung der Dunklen Biene durch Kreuzung von Bienenunterarten

So fiel Mitte des 19. Jahrhunderts der Startschuss für die Einfuhr fremder Unterarten nach Deutschland: Zwischen den Jahren 1853 und 1878 wurden mindestens acht Bienenunterarten, wie zum Beispiel die Italienische Biene (Apis mellifera ligustica) und die Kärntner Biene (Apis mellifera carnica), eingeführt. Vor allem die Einfuhr der kaukasischen Biene (Apis mellifera caucasia) 1878 wurde circa 1886 beendet, da die Vermischung mit anderen Unterarten zu sehr stechlustigen Bienen führte.

Sogar die Art Apis dorsata, die Asiatische Riesenhonigbiene, wurde 1883 versuchsweise eingeführt, doch dort zeigte sich schnell die Unterscheidung von Art und Unterart. Nur Unterarten einer Art konnten sich nachhaltig miteinander fortpflanzen, nicht aber Individuen zweier verschiedener Arten. So misslang die Zucht schnell. (2) (3)

Die Warnung einiger Bienenforscher, die Kreuzung mit der einheimischen Honigbiene zu unterlassen und den Import zu stoppen, verhallte. Ein kunterbunter Mischmasch verschiedener Hybride (Ergebnis der Kreuzung von zwei oder mehr Unterarten), die zum Teil extrem stechlustig waren, war das Ergebnis.

Die in Deutschland heimische Dunkle Biene geriet dabei an den Rand der Ausrottung. Ihr Ende wurde allerdings durch weitere Faktoren (wie die Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft mit dem Verlust von Baumhöhlen und Tracht sowie die mangelnde Sensibilität der Bienenwissenschaftler für den genetischen und artenschutzrechtlichen Wert einer einheimischen Tierart) besiegelt.

Das Aussterben der wild lebenden Dunklen Biene

Professor Zander war zu seiner Zeit der erste Wissenschaftler, der den Verlust der Dunklen Biene verhindern wollte. Als er in Deutschland keine reine Dunkle Biene mehr fand, importierte er um 1907 herum einen Unterart-Zuchtstamm, die legendäre Nigra aus der Schweiz. So eröffnete die Landesanstalt für Bienenzucht Erlangen, zu dessen Vorstand er damals zählte, im Jahr 1908 die erste Reinzuchtbelegstelle für die Dunkle Biene namens „Ohrwaschl“. Damit legte Professor Zander den Grundstein für eine bis 1959 andauernde Zucht. (4)

Im Laufe der 1950er bis 1960er Jahre wurden allerdings alle in Deutschland vorhandenen Reinzuchtbelegstellen auf die Zucht der Kärntner Biene umgestellt. Diese Entscheidung einiger weniger Akteure – in diesem Fall der Bieneninstitute, Deutscher Imkerbund und Imker – führte dazu, dass der gesamte Genpool der Dunklen Biene in Deutschland innerhalb von nicht einmal 100 Jahren vernichtet wurde. (5)

Von den letzten wilden Honigbienen Deutschlands erfährt man in der Literatur um das Jahr 1900. Die ersten Berichte von verwilderten, also aus Imkerhand entwischten Honigbienen finden sich wiederum um das Jahr 1933. (6)

So geriet die Dunkle Biene in Vergessenheit

Obwohl der Naturschutz sich seit vielen Jahrzehnten intensiv der Erhaltung einheimischer Arten widmet, hat er die Dunkle Biene vergessen. Als einheimische Honigbiene unterliegt sie eigentlich dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung und sollte in der Roten Liste als ausgestorben geführt werden. (7) Die gesetzliche Einordnung der verwilderten Honigbiene ist juristisch gesehen sehr komplex und sollte diskutiert werden.

Schon immer beschäftigte die Imker die Sorge, ob wild lebende Honigbienen Krankheiten auf ihre Honigbienen am Bienenstand übertragen. Zugleich verbinden manche Imker aber auch mit wild lebenden Honigbienen die Hoffnung auf varroaresistente Völker. Diese beiden Fragen möchte ich kommenden Monat in meinem 4. Gastbeitrag beantworten, der da lautet: „Wild lebende Honigbienen – Seuchenschleuder oder Genschatz?“ Bleiben Sie gespannt.

Ihre Sigrun Mittl

Literatur:

1. Pollmann, A. (Hrsg.). Werth der verschiedenen Bienenracen und deren Varietäten, 2. vermehrte Auflage. Leipzig : Verlag Voigt, 1898.
2. Von Buttel-Reepen, H. Apistica – Beiträge zur Systematik, Biologie sowie zur geschichtlichen und geographischen Verbreitung der Honigbiene (Apis mellifera L.), ihrer Varietäten und der übrigen Apis-Arten. 1905-1908, S. 117-201.
3. —. Leben und Wesen der Bienen. Braunschweig : Friedr. Vieweg & Sohn, 1915.
4. Mittl, Sigrun. Die älteste Königinnenbelegstelle für Apis mellifera mellifera (Dunkle Biene) in Bayern und ab 1920 die größte in der ganzen Welt: “Ohrwaschl” bei Erlangen/Tennenlohe – von 1908 bis 1948. https://bienen-dialoge.de. Februar 2019, 33 S.
5. —. Die Reinzuchtbelegstellen der Stämme der Dunklen Biene Apis mellifera mellifera und der Kärntner Biene Apis mellifera carnica zwischen 1934 und 1945 und die Geschichte der Zucht in dieser Zeit mit Ausblick in die Zeit danach – Teil 1. https://bienen-dialoge.de. Oktober 2019, 31 S.
6. Stoeckhert, Ferdinand Karl. Die Bienen Frankens. Beiheft der Deutschen Entomologischen Zeitschrift Jahrgang 1932. 1933, 294 S.
7. Mittl, Sigrun. Apis mellifera und das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) der BRD – Ist die Art Apis mellifera (Westliche Honigbiene) ein Wildtier und welche Folgen hätte das für Gesetzgebung und Artenschutz? – 2. überarbeitete Fassung. https://bienen-dialoge.de. Oktober 2017, 9 S.

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